Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
weiter. »Die Hinterhöfe von Belleville haben nämlich keinen sonderlich guten Ruf. In der letzten Zeit sind hier einige Leichen gefunden worden. Blutleer, wie es heißt.Vermutlich nicht mehr als ein dreckiges Gerücht, aber niemand will ein Risiko eingehen. Sie doch ganz bestimmt auch nicht oder, Monsieur?« Er zeigte ein Lächeln voller Zahnlücken, während er den einen Arm hinter den Rücken hielt, als wolle er etwas verbergen.
Adam ahnte, worum es sich handelte, denn er hatte das ledernde Geräusch gehört, das der Totschläger in der Hand verursacht hatte.
Reiß diesem wandelnden Abfall einfach die Kehle heraus, und dann widmen wir uns dem Jungen.Yves hat in seiner Kindheit gesungen wie ein Vögelchen. Es ist immer noch etwas von seiner Begabung spürbar. Bring ihn für mich zum Singen. Ich mag das.
In Adams Arm- und Rückenmuskulatur breitete sich ein warmes Kribbeln aus, dann spannte sie sich ohne sein Zutun an. Sein Körper glitt in eine Angriffshaltung, als bräuchte er gar nicht erst sein Einverständnis dafür. Als wäre ein Kampf die natürlichste Sache der Welt für ihn. Ehe er sich’s versah, schenkte er dem Mann ein einladendes Lächeln.
»Ausgeblutete Leichen? Und niemand hat etwas von den Morden mitbekommen?«
»Nein, in Belleville kümmert man sich um seine eigenen Angelegenheiten, selbst wenn sich jemand im Hof die Seele aus dem Leib schreit. Ist auch besser so, wenn Sie mich fragen.«
Der Mann mit dem zerschlagenen Gesicht blieb eine Armlänge von Adam entfernt stehen. Mittlerweile machte er sich nicht einmal mehr die Mühe, sein Opfer mit einem Lächeln in Sicherheit zu wiegen. Hätte er nicht derartig auf seine Überlegenheit vertraut, wäre ihm vermutlich aufgefallen, dass Adam nicht sonderlich beunruhigt wirkte. Stattdessen ließ er sogar aufreizend die Münzen in seiner Hand klingen.
»Sie haben doch sicherlich nichts dagegen, dass ich mir die Münzen mal genauer ansehe. Hab eine Schwäche für die klimpernden Dinger«, knurrte der Exboxer, während er eine herausfordernde Grimasse zog.
»Das glaube ich gern«, erwiderte Adam leichthin. Dann schleuderte er ihm die Münzen ins Gesicht.
Der Exboxer setzte mit einem Schrei zurück, mehr überrascht als verletzt, obwohl eine Münze sein Augenlid aufgeritzt
hatte. Doch im nächsten Moment hatte er sich wieder gefangen und brachte den versteckten Totschläger zum Vorschein.
Damit hatte Adam gerechnet.
Nicht gerechnet hatte er damit, wie langsam der Angriff des Mannes sich in seiner Wahrnehmung vollzog. Er hätte die Bewegungsabläufe quasi mit dem Zeigefinger verfolgen können. Dadurch hatte er die Bahn des Schlages schon erkannt, kaum dass sich die Schulter des Mannes in Bewegung setzte. Wäre Adam darüber nicht so verwundert gewesen, hätte er den Angriff gleich im Keim ersticken können. So wehrte er den Totschläger erst im letzten Moment mit dem Unterarm ab.
Dieser Kampf war ein derart leichtes Spiel, dass Adam vor Überraschung die Augenbrauen hochzog. Er hatte fest damit gerechnet, der Aufprall des Schlagarms würde ihn zumindest ein Stück zur Seite taumeln lassen. Stattdessen stand er wie ein Fels da, während der Schmerz in seinem Arm aufflammte … und sofort wieder erlosch. Restlos. Sein Angreifer dagegen jaulte qualvoll auf und ließ den Totschläger fallen, als besäße er plötzlich nicht mehr die Kraft, ihn zu halten.
Vermutlich hätte Adam weiterhin dagestanden und den fluchenden und gleichzeitig jammernden Mann beobachtet, aber der jüngere Kerl namens Yves attackierte ihn nun von der Seite. Es war ein geschickter und vor allem schneller Angriff, der ihm eigentlich hätte entgehen müssen. Aber nicht nur Adams Instinkte sprangen sofort an, sondern auch seine Beine setzten sich wie von Zauberhand in Bewegung.
Für Adam galten offenbar andere Zeitgesetze, als er sich drehte und so Yves’ Nierenhaken auswich. Der Junge hatte noch nicht richtig begriffen, dass sein Angriff daneben gegangen war, da schlug Adam ihm schon die Faust ins Gesicht.Während Yves ins Straucheln geriet, verpasste Adam dem Jungen einen Tritt in den unteren Rücken, woraufhin der in die Knie sank.
Nicht zu fest! Nicht zu fest! , krakeelte die Stimme wie ein überdrehtes Aufziehmännchen.
Dennoch hatte Adam den Verdacht, dass die Stimme vor Begeisterung aufjauchzen würde, wenn er dem am Boden liegenden Jungen seine Stiefelspitze in die Rippen rammte. Adam sollte Blut fließen lassen, darum ging es der Stimme. Je mehr Blut, desto besser.
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