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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Wozu?«
    Jetzt stand sie von ihrem Stuhl auf und holte aus dem Regal ein Album – aber nicht das, welches er schon kannte. Sie legte es vor ihn hin und wartete ungeduldig, daß er den Ledereinband aufschlug.
    Das erste Bild zeigte eine Gruppe von Kindern, die ausgelassen unter den Wasserstrahlen eines Rasensprengers auf und ab hüpften. Sonnenlicht fiel durch die sprühenden Fontänen und funkelte in den Pfützen, in denen die Kinder umherpatschten. Wie bei ihren anderen Fotografien leitete sich das Element der Spannung aus dem Kontrast von Hell und Dunkel her. Vorne die unbeschwerte Freude, die nur ganz jungen Menschen vergönnt ist, rückwärtig die Schatten, die bereits vorprogrammiert waren…
    Den Hintergrund der nächsten Fotografie bildete eine rohe Holzschindelwand. Vor ihr saßen sich zwei alte Männer
an einem umgedrehten Faß gegenüber, auf dem sie Domino spielten. Die weißen Punkte hoben sich scharf von der schwarzen Grundfarbe der Steine ab. Einer der Spieler war ein Schwarzer, der andere ein Weißer.
    Als nächstes die Hände eines Arbeiters. Nur seine Hände. In Großaufnahme. Schmutzverkrustet. Dunkle Erde unter rissigen Fingernägeln und in den Fältchen der schwieligen Finger. In diesen Händen eine weiße Rose von vollkommener Schönheit.
    Eine Frau in einem Schaukelstuhl, dunkel umrissen vor einem offenen Fenster. Dünne Vorhänge, die sich im Wind bauschten. An ihrer Brust ein trinkender Säugling. Der Kopf gesenkt. Dunkles Haar, das das Gesicht verbarg und auf die helle Brust herabfiel. Annas Haar. Annas Kind. Annas Brust.
    »Mein Gott, Anna! Warum machen Sie – Warum haben Sie …« Jack schüttelte den Kopf, weil ihm die Worte fehlten. »Warum machen Sie nicht einen Beruf daraus? Ich verstehe überhaupt nichts von Fotografie, aber diese Bilder sind gut . Haben Sie sie mal jemandem gezeigt, der mit ihnen was anfangen könnte?«
    Er blätterte das Album noch einmal durch, betrachtete jede Aufnahme ein zweitesmal. »Sie sind unheimlich stark in ihrer Aussage. Jedes von ihnen sagt etwas. Etwas Wichtiges und – und Erfaßbares. Sie sind viel zu gut, um in einem Album dahinzudämmern. Andere sollten sie sehen – sich von ihnen beeindrucken lassen.«
    Unverkennbar erfreut über seine Kommentare, wandte sie sich wieder dem Computer zu. »Ich wollte versuchen, sie für Poster zu verkaufen. Oder Grußkarten. So etwas in der Richtung.«
    »Genau! Warum haben Sie es nicht getan?«
    Mit einem wehmütigen Lächeln zuckte sie die Achseln. »Es kam zuviel dazwischen. Deans Krankheit. Dann David. Dann…«
    Jack legte seine Hände auf die ihren, so daß sie nicht weiterschreiben
konnte. »Delray hat Sie nicht ermutigt. Da haben Sie die Fotoausrüstung auf den Speicher gepackt und versucht, Ihre Ausbildung zu vergessen.«
    »Ja«, bedeutete sie ihm und begann dann wieder zu tippen. »Ich habe versucht , sie zu vergessen. Aber es ging nicht. Ich trage sie immer noch hier.« Sie drückte die geballte Faust auf ihr Herz. »Wenn ich nicht taub wäre und mich auf andere Art ausdrücken könnte, wäre sie mir vielleicht nicht so wichtig. Aber ich habe vieles zu sagen, und die Fotografie ist für mich das beste Medium. Ich möchte wieder anfangen. Und diesmal werde ich versuchen, meine Arbeiten zu verkaufen. Sie wenigstens mit anderen zu teilen.«
    »Dann packen Sie es an!«
    »Zuerst ist eine größere Kollektion nötig. Ich werde vielleicht Monate oder sogar ein ganzes Jahr brauchen, um eine Mappe zusammenzustellen, die für einen Käufer von Interesse sein könnte. Das Bild von David und mir war das letzte, das ich gemacht habe – vor fünf Jahren. Vorläufig sollte ich eine Menge üben. Es wird nicht leicht werden, aber wenn ich es noch einmal versuchen will, muß ich jetzt anfangen. Und zwar mit Ihnen – wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Ich bin in allem, was Sie sagen, Ihrer Meinung, Anna. Wenn Sie wieder anfangen wollen, dann am besten gleich. Sie haben ein großes Talent. Das liegt auf der Hand. Sie würden es vergeuden, wenn Sie nicht mit ihm arbeiteten. Aber wenn diese Kollektion so wichtig ist, warum, zum Teufel, wollen Sie dann ausgerechnet Bilder von mir dafür haben?«
    »Sie haben ein interessantes Gesicht«, tippte sie.
    »Interessante Konterfeis gibt’s wie Sand am Meer.«
    »Es ist mir ernst «, schrieb sie. »Sie wirken so lebendig.«
    Er lachte. »Ich glaube, Sie sollten sich mal die Augen untersuchen lassen, Anna.«
    Aber sie sah ihn weiter unverwandt an, aufmerksam und

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