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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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hätte sie ihn wegen des möglichen Holzverkaufs nicht um Rat gefragt. Ihr persönliches Interesse an ihm ging immerhin soweit, daß sie sich hübsch gemacht hatte, bevor sie ihn zum Essen einlud. Ihr Interesse ging so weit, daß sie ihn überhaupt einlud …
    Sekunden waren verstrichen, seit sie von ihm abgerückt war; aber ihr Blick lag weiterhin auf seinem Mund, und es sah nicht so aus, als wollte sie von seinen Lippen lesen – sondern ihn eher küssen. Sie senkte ihre Hände und legte sie auf die seinen, die immer noch die Rückenlehne des Stuhls umklammerten. In stummer, doch erregender Aufforderung hob sie ihren Blick zu seinen Augen und ließ ihn dann wieder zu seinem Mund herabgleiten.
    Leise sprach er ihren Namen, als er sich ihr zuneigte, fürchtete, sie würde aufspringen und davonlaufen – fürchtete beinahe noch mehr, daß sie es nicht täte.
    Sie neigte ihren Kopf leicht nach rückwärts. Ihre Lippen öffneten sich.
    Lieber Gott, hilf mir, dachte er, als er sich über sie beugte, in Gedanken schon ihre Lippen und ihre Zunge fühlte, ihren Kuß schmeckte.
     
    Ezzy kam sich wie ein Idiot vor. Er hoffte, sie würde nicht zu Hause sein. Dann könnte er sich sagen, er habe es wenigstens versucht, und reinen Gewissens wieder abziehen.
    Da sich auf sein Läuten nicht gleich etwas rührte, trat er
zwei Schritte nach rechts und spähte durch das Wohnzimmerfenster. Der Fernseher lief. Nur Delrays Enkel saß davor. Bei genauerem Hinsehen allerdings stellte Ezzy fest, daß der Kleine schlief. Das Läuten der Türglocke hatte ihn nicht geweckt.
    Als er von drinnen Schritte hörte, trat er wieder vor die Haustür, unter das Licht der Verandalampe, damit sie ihn mühelos sehen und erkennen konnte. Die Tür wurde einen Spalt geöffnet, Anna Corbetts Gesicht erschien in der schmalen Öffnung.
    Ezzy erinnerte sich nicht genau, wann er sie zuletzt gesehen hatte – es mußte eine ganze Weile her sein. Donnerwetter, war diese junge Dame hübsch, und besonders jetzt, mit dem leicht erhitzten Gesicht! Seinem Gedächtnis nach handelte es sich um ein junges Ding mit spillerigen Beinen und großen blauen Augen. Die Augen waren immer noch groß und blau, aber die Beine nicht mehr dünn.
    »’n Abend Mrs. Corbett«, sagte er mit einer angedeuteten Verbeugung.
    Sobald sie ihn erkannte, machte sie die Tür ganz auf und trat zur Seite, um ihn einzulassen.
    »Danke.« Ezzy nahm seinen Hut ab und hielt die Auflaufform mit dem Gericht, das er mitgebracht hatte, geschickt auf dem Teller der anderen Hand. »Meine Frau und ich wollten Ihnen unser Beileid zu Delrays Tod aussprechen. Es hat uns sehr leid getan, davon zu hören.«
    Sie nickte. »Danke«, sagten ihre Lippen stumm, begleitet von der entsprechenden Gebärde.
    »Entschuldigen Sie bitte, daß ich heute morgen nicht bei der Beerdigung zugegen war. Ich hatte dienstlich zu tun.«
    Niedergeschmettert von Fosters Zurückweisung, unfähig, die Leere des Hauses, die ihm wie ein Spiegel seines eigenen Lebens schien, zu ertragen, hatte er sich noch zusätzlich bestraft, indem er an den Ort von Patsy McCorkles Tragödie zurückgekehrt war.
    Die gleiche Hitze, die gleichen Mückenschwärme, der gleiche träge Fluß, der gleiche Frust. Lange Zeit hatte er auf dem ausgehöhlten Stamm des umgestürzten Baums gesessen, mit Ameisen und Stechmücken gekämpft, Dr. Peppers getrunken, das in seiner Hand warm geworden war, und gewünscht, er könnte die Uhr zweiundzwanzig Jahre zurückdrehen.
    Er wollte endlich wissen, was dem Mädchen zugestoßen war. Nur das.
    Mehr wollte er gar nicht.
    Ihm ging es nicht um Bestrafung, wobei Strafe vielleicht ohnehin nicht zur Debatte stand. Ihr Tod könnte ja ein Unglücksfall gewesen sein. Er wurde nicht von Rachegelüsten getrieben, obwohl solche angesichts dessen, was diese Geschichte ihm und seiner Familie abverlangt hatte, sogar verständlich gewesen wären. Nein, er verzichtete gern auf Vergeltung, wenn er nur herausbekäme, unter welchen Umständen sie den Tod gefunden hatte und wer letztlich die Schuld trug.
    Nur wissen wollte er es, um in Frieden sterben zu können.
    »Also«, sagte er jetzt zu Anna Corbett, »ich hab Ihnen die Lasagne hier mitgebracht.« Verlegen reichte er ihr die Form. »Meine Frau wäre selbst gekommen, aber sie ist gerade mit ihrer Schwester in Abilene. Ich soll Ihnen von ihr ausrichten, wie sehr sie Delrays Tod bedauert.«
    Er hatte keine Ahnung, wieviel von dem, was er da brabbelte, sie überhaupt verstand. Ihre Eltern

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