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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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durchgemacht. Ihr Geist und ihr Körper brauchen Zeit, um zu heilen. Zum Glück sind ihre Wunden nicht infiziert. Wenn sie bereit ist, wird sie aufwachen.«
    Glück. Er glaubte nicht daran. Dieses Wort bedeutete gar nichts.
    Mut. Tapferkeit. Trotzige, starrköpfige Tollkühnheit. Das waren Wörter, die ihm gefielen, denn diese Wörter beschrieben die Frau, die da so regungslos und tödlich blass auf dem Bett lag, die langen blonden Haare in seidigen Wellen auf dem Kissen.
    Seine Schwester lebte noch – wenn auch nur gerade noch so –, weil Jenna mutig genug gewesen war, sie zu retten. Sie hatte sich für jemanden in Gefahr begeben, den sie kaum kannte. Wahrscheinlich war es ihr gelungen, Daria zu retten, indem sie einfach die Aufmerksamkeit auf sich zog. Er stand auf eine Weise in ihrer Schuld, die sich gar nicht bemessen ließ. Doch seine Dankbarkeit wurde bei Weitem von der übergroßen Liebe verdrängt, die er für sie empfand. Es war Leidenschaft gepaart mit Respekt, die mit jedem Tag, seitdem sie sich das erste Mal begegnet waren, zugenommen hatte. Doch seine Liebe war wie eine unerblühte Blume noch immer in seinem Inneren gefangen, ohne dass er Jenna ihre Pracht hätte zeigen können.
    Sie war sein Herz und sein Feuer. Er liebte sie mit jeder Faser seines Wesens, aber er hatte keine Ahnung, wie er ihr das sagen sollte. Nicht nach all dem, was er ihr angetan hatte.
    Natürlich machte er sich die größten Vorwürfe. Für jeden Fehler, jeden falschen Schritt und jede verpasste Gelegenheit, die sie in diese Situation gebracht hatte, geißelte er sich tagtäglich aufs Neue. Er vermochte nicht, die Erinnerungen auszulöschen. Sie verfolgten ihn bis in den Schlaf, und er sah sie immer wieder vor sich, auch wenn er wach war.
    Zuerst hatte er Jenna aus dieser schrecklichen Folterkammer befreit und dann seine Schwester. Er hatte ihre geschundenen Körper in Decken gehüllt und dabei wie ein Dämon geflucht. Selbst trug er eine blutdurchtränkte Hose, die er einem der toten Männer ausgezogen hatte. Wie ein Wahnsinniger war er dann nach Sommerley in einem Wagen zurückgerast, den er von den Expurgari gestohlen hatte.
    Von den toten Expurgari.
    Sollten sie auf alle Ewigkeit im Feuer der Hölle schmoren.
    Doch es gab mehr, das wusste er – viele mehr als die wenigen, die er in London umgebracht hatte. Das war erst der Anfang. Er hatte Tage damit verbracht, Schlachtpläne zu entwickeln, um seine Kolonie zu sichern und sich und die Seinen auf einen langen, hässlichen Kampf vorzubereiten. Der Rat war jeden Tag zusammengekommen, und die Kriegsmaschine war angerollt.
    Jeden Tag war er jedoch abgelenkt und mit den Nerven am Ende. Die schreckliche Vorstellung, dass Jenna vielleicht nie mehr aus ihrem unruhigen Schlaf erwachen könnte, überwältigte ihn fast vor Angst.
    Er beobachtete sie frühmorgens, wenn die Sonne aufging und lavendelblau, rosa und silbern stumm durch einen Schlitz in den zugezogenen Vorhängen über die Bettdecke wanderte. Er legte seinen Finger auf den Puls an ihrem Handgelenk, wenn die Standuhr zwölf Uhr Mittag schlug. Er saß über lange, mondlose Nächte hinweg neben ihr und strich ihr immer wieder mit den Lippen über die Stirn, während er sie innerlich anflehte, doch endlich aufzuwachen.
    Schließlich tat sie es.
    Acht Tage vergingen, ehe sie die Augen öffnete, weitere zehn, bevor sie kräftig genug war, um aufzustehen. Doch sie blieb stumm und blass und ging nur in unsicheren, langsamen Schritten an seinem oder Christians Arm durch das Haus.
    Leander hatte seinen Bruder aus der Zelle geholt und ihn um Vergebung dafür gebeten, dass er ihn dort hineingesteckt hatte. Er war durchgedreht, als Jenna weg war und musste seinen Zorn an irgendjemandem auslassen. An irgendjemandem. Doch jetzt konnte er keinerlei Zwietracht mehr in seiner Familie ertragen. Er konnte sich nicht auf den Krieg vorbereiten, wenn jeder, den er liebte, wenn das, was ihm alles bedeutete, zerbrochen zu seinen Füßen lag.
    Unglaublicherweise vergab ihm Christian und erklärte, dass er ihn verstünde.
    Leander wusste nicht, ob er an seiner Stelle auch so nachsichtig gewesen wäre.
    »Du verdienst sie nicht, das weißt du.«
    Sie saßen an einem warmen Vormittag nach dem Frühstück in der leeren Ostbibliothek und beobachteten Jenna durch die hohen Fenster. Sie stand regungslos im Rosengarten, das Gesicht dem klaren Sommerhimmel zugewandt.
    Leander nickte nur zustimmend, als er Christians flapsigen Kommentar hörte. Er sah Jenna

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