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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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spürte, wie sie sich säuregleich in seinen Lungen ausbreitete. Dann sprach er die Worte aus, die alle in ihrer Angst bestätigen und ihr Leben von diesem Moment an unweigerlich verändern würden.
    »Sie haben uns wiedergefunden. Bereitet alles für einen Krieg vor.«

12
    Jenna kam langsam zu sich. Sie wurde von einem Sonnenstrahl gewärmt, der wie Honig durch die Dachfenster ihres Zimmers im ersten Stock fiel. Sie hielt die Augen geschlossen und atmete die kühle Morgenluft ein, die sich mit dem Duft frisch gewaschener Baumwolle vermischte. Sie räkelte sich wohlig und streckte die Arme und Beine unter der weichen Decke.
    Das Bett war unglaublich bequem, riesig und wunderbar warm. Sie hatte so viele Daunenkissen um sich herum, dass sie das Gefühl hatte, auf einer Wolke geschlafen zu haben.
    Im Viertel war es heute überraschend ruhig. Keine Geräusche von der Straße, keine Müllwägen, die in den frühen Morgenstunden ihre Arbeit verrichteten, keine gedämpften Unterhaltungen durch die dünnen Wände ihres Apartments. Die einzigen Geräusche waren die der Bettdecke, die über ihre nackte Haut glitt, als sie sich auf den Rücken rollte. Sonst hörte sie lediglich einen einsamen Vogel zwitschern, ein hoher, reiner Ton, der in der taufeuchten Luft des roséfarbenen Sonnenaufgangs widerhallte.
    Die Stille war vollkommen, idyllisch. Und sehr ungewöhnlich … Jenna runzelte die Stirn. War heute ein Feiertag? Ein Sonntag? Warum war alles so ruhig?
    Sie riss die Augen auf. Über ihr war ein schimmernder Stoff gespannt, dessen safrangelbes und aprikosenfarbenes Organza-Gewebe golddurchwirkt war und zwischen vier Mahagonipfosten zu schweben schien.
    Jenna setzte sich ruckartig auf und blickte sich verwirrt um. Sie wusste im ersten Moment nicht, wo sie war.
    Die Wände waren korallenrot und vanillefarben gestrichen. Darauf befand sich die detailreiche Illusionsmalerei eines Gartens voller Efeuranken, Jasminblüten, Lavendelsträuchern und dunkelgrünem Laub. Das Zimmer musste sich in einem Palast befinden. Es gab einen französischen Sekretär, ein zierliches Sofa, das mit Rohseide bezogen war, Wandteppiche, Stühle aus geschnitztem Holz und Samtkissen auf einem Divan. An der östlichen Wand waren riesige Fenster, durch die der frühe Sommermorgen drang und alles mit einem bernsteinfarbenen Glanz erfüllte.
    Sie brauchte einige Sekunden, um die Panik zu unterdrücken, die in ihr aufstieg. Dann kehrte die Erinnerung zurück, und sie vermochte wieder ruhig zu atmen.
    England. Sommerley. Ihr Zimmer. Ikati.
    Leander.
    Ihr fiel ein, dass sie von ihm geträumt hatte, hier in diesem goldenen Raum, als sich das Sonnenlicht am Horizont gezeigt und die Dunkelheit unter ihren geschlossenen Augenlidern in Gold- und Brauntöne getaucht hatte. Sie hatte von seinem Gesicht geträumt, von seinen Augen und dem samtig weichen Timbre seiner Stimme, wenn er ihren Namen aussprach.
    Sie hatte von ihm und dem dunklen Wald vor ihren Fenstern geträumt – ein Wald, der etwas tief in ihr Schlummerndes, etwas Dunkles erweckte. Ein Wald, den sie gemeinsam mit ihm erkundet hatte, als muskulöser, schwarzer Panther, der durch die Bäume und Lichtungen streifte, ohne einen Laut von sich zu geben. Nur der Wind war zu hören, wenn er über sein geschmeidiges Fell strich.
    Wir sind keine Menschen, Jenna. Vergiß das nicht. Die Ikati sind Tiere …
    Sie musste etwas unternehmen, sowohl hinsichtlich Christian als auch Leander. Aber sie hatte keinerlei Vorstellung davon, was sie tun sollte. Am Abend zuvor war sie nach dem Gespräch mit Christian in ihr ausgesprochen feminin ausgestattetes Zimmer geflohen und hatte sich seitdem nicht mehr herausgewagt – nicht einmal mehr, um etwas zu essen.
    Feigling.
    Verärgert schlug sie die schwere Decke beiseite und nahm den elfenbeinfarbenen Morgenmantel aus Seide, den ein Zimmermädchen neben ihr Bett gelegt hatte. Sie schlüpfte hinein und knotete den Gürtel um ihre Taille.
    Zuerst spürte sie den dicken Teppich und dann den kühlen Marmor unter ihren Füßen, als sie durch den sonnenerfüllten Raum in das angrenzende Badezimmer lief. Sie wollte gerade den Wasserhahn aufdrehen, um ihr Gesicht zu waschen, als sie in der Bewegung innehielt. Sie hatte einen Kulturbeutel auf der Marmorablage entdeckt. Er stand neben einer Seifenschale, die aus reinem Gold zu sein schien.
    Es war ihr Kulturbeutel. Sie richtete sich auf und sah ihn stirnrunzelnd an.
    Leander hatte am Tag zuvor in einer Limousine vor ihrem Apartment

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