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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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gewartet, während sie packte. Er hatte ihr zwanzig Minuten gegeben. Sie hatte alles, von dem sie vermutete, dass sie es für eine kurze Reise brauchte, in einen Lederkoffer geworfen. Doch bis gerade eben war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie dabei ihren Kulturbeutel vergessen hatte.
    Nicht, dass es wichtig gewesen wäre. Schließlich war er jetzt hier. Sie nahm den Beutel und strich mit den Fingern über den vertrauten Stoff. Dann zog sie den Reißverschluss auf. Alles befand sich an seinem Platz, so als ob sie ihn selbst gepackt hätte. Jenna drehte sich um und betrachtete die Milchglasscheibe, die zu einem begehbaren Kleiderschrank führte. Sie stellte den Kulturbeutel auf das Waschbecken, zog den Gürtel enger, richtete sich auf und ging zu der Tür.
    Vier Jeans, ein halbes Dutzend T-Shirts, Unterwäsche, Socken, zwei Paar Schuhe. Das war alles, was sie gestern eingepackt hatte. Mehr hatte nicht in ihren kleinen Koffer gepasst.
    Doch was sie jetzt sah – in geriffelte Mahagonifächer gelegt, in ausziehbare Regale gestapelt, an Holzdübeln hängend, in offenen Schubladen gepackt –, war ihre gesamte Garderobe.
    Jedes Kleidungsstück, das sie besaß, befand sich perfekt geordnet vor ihr. Nach Farben sortiert lagen die Blusen und Kleider, die Handtaschen und Schuhe allesamt hier in diesem begehbaren Kleiderschrank für sie bereit. Ihr Schmuck lag auf Samtablagen in vier Schubladen, die in der Mitte der Garderobe in einer Kommode zu finden waren. Ihre Unterhosen, wie Taschentücher gefaltet, waren den Farben nach in den Schubladen auf der anderen Seite der Kommode arrangiert. Selbst ihre Dessous hingen einem Regenbogen gleich in einer Ecke, von Hell nach Dunkel geordnet.
    Doch hier waren nicht nur Dinge, die ihr gehörten. Es gab auch Kleidungsstücke, die sie noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Abendroben, Cocktail- und Ballkleider füllten eine ganze Wand, Mäntel und Jacken in jedem nur denkbaren Stil und allen Farben. In einer weiteren Ecke standen unglaublich viele Handtaschen und Schuhe, von denen sie wusste, dass es extrem teure Designerstücke waren.
    Es überraschte Jenna nicht mehr, als sie einen Blick auf die Schildchen in diesen seltsamen, wunderschönen Stücken warf. Alles war in ihrer Größe.
    Regungslos stand sie in der Mitte des großen Zimmers und überlegte, was sie tun sollte. Sie presste die Hände an ihre Schläfen und schloss die Augen, um erst einmal tief durchzuatmen.
    In dieser Situation fand sie Leander vor.
    »Lass mich wissen, ob das bei Kopfschmerzen hilft«, sagte er. »Ich habe nämlich noch kein Mittel gegen meine eigenen gefunden.«
    Da sie seinen besonderen Duft nach Moschus und exotischen Gewürzen wahrgenommen hatte, lange bevor sie die leichte Erschütterung des Bodens unter seinen Schritten spürte, hatte sich ihr Magen verkrampft, und sie war noch regungsloser geworden. Als sie seine Stimme hörte, drehte sie sich nicht um. »Ich habe schon oft festgestellt«, sagte sie und blickte mit säuerlicher Miene auf das feuerwehrrote Valentino-Kleid mit einem Schlitz, der bis zu den Schenkeln hochreichte, »dass man Spannungskopfweh besonders gut loswird, wenn man etwas gegen die Wand wirft. Vor allem, wenn dieses Etwas dann so freundlich ist, in tausend Stücke zu zerspringen.«
    Jetzt sah sie ihn über die Schulter hinweg an. »Also wirklich.« Er stand unter der Tür und lächelte schwach. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du zu Gewaltausbrüchen neigst. Wenn du möchtest, kann ich dir gerne eine Porzellanvase bringen lassen. Ich vermute, sie könnte helfen.«
    Unter seinen Augen waren leichte Schatten zu sehen. Er trug dasselbe Seidenhemd und dieselbe schwarze Hose, die er auch schon auf dem Flug getragen hatte. Nur dass sie jetzt verknittert waren. Trotz seines goldenen Teints wirkte er blass.
    »Vielleicht würde es auch helfen, wenn du mir erklären würdest, warum sich alle meine Kleider in diesem Schrank befinden.«
    »Weil es dein Schrank ist. Wo sollten sie sonst sein?«
    Das Zittern in ihrem Inneren verwandelte sich in ein Flackern.
    »Bei mir zu Hause, wo sonst?«, gab sie zurück. Sie spürte, wie ihre Schläfen zu pochen begannen, und unterdrückte das Bedürfnis, ihre Finger erneut daraufzupressen.
    »Genau dort befinden sie sich ja auch«, erwiderte er mit samtener Stimme.
    Wutentbrannt starrte sie ihn an. »Keine Spielchen, Leander. Ich bitte dich. Wenn wir jetzt einmal von der Frage absehen, wie meine ganze Garderobe über Nacht hierhergekommen ist,

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