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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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werden danach noch zu Abend essen, falls du dann noch Hunger hast. Oder du rufst einfach in der Küche an und lässt etwas aufs Zimmer bringen.«
    Morgan rief Jenna über die Schulter hinweg zu. »Ich muss mich noch frisch machen. Bis später, Jenna.« Der Diener, der Morgans Gepäck trug, richtete sich kerzengerade auf, als sie an ihm vorbeieilte, um dann zwei Schritte hinter ihr zu folgen.
    Wie zuvor bewunderte Jenna die gefährliche Kreatur in ihren schwarzen, hohen Pumps, ihrer Taftbluse und dem Kaschmir, wie sie den breiten Flur entlanglief, von dem zahlreiche schwere Holztüren mit Perlmutt-Intarsien abgingen.
    »Mach keinen Unsinn«, fügte Morgan noch mit einem leisen Lachen hinzu, ehe sie hinter einer dieser Türen verschwand.
    Jenna sah Christian an.
    Sein Körper strahlte eine knisternde, elektrische Spannung aus, die die Luft um sie herum zu erhitzen schien. Er lächelte sie mit einer Intensität an, die seine Augen ungewöhnlich hell leuchten und Jennas Herz einen Moment lang aussetzen ließ.
    »Ich bin mir sicher, dass ich hier keinen Unsinn machen kann«, sagte Jenna ein wenig beschämt, obwohl sie nicht wusste, warum.
    »Wirklich?« Sein Blick war ruhig. »Bisher hast du doch einiges Talent dafür gezeigt.«
    Sie gab ein verärgertes Schnauben von sich. »Versuchst du etwa, mir ein besseres Gefühl zu geben? Da kann ich dir gleich sagen, dass das nicht funktioniert.«
    Es folgte eine längere Pause, ehe Christian näher trat. Seine Augen schienen noch immer zu glühen, als er nur wenige Zentimeter vor ihr innehielt. Er war beinahe genauso groß wie Leander und ebenso muskulös und kompakt. Sie musste zu ihm aufblicken.
    »Das ist meine Art, dir zu verstehen zu geben, dass du vorsichtig sein musst, Jenna«, sagte er. »Alpha sind daran gewöhnt, das zu bekommen, was sie wollen. Ganz gleich, wie.«
    Die Schamesröte stieg ihr in die Wangen. »Zur Kenntnis genommen. Und auch, wenn es dich nichts angeht, da ist nichts zwischen Leander und mir, und ich habe auch nicht vor, dass sich das ändert.«
    Christian starrte sie mehrere Sekunden lang an, den Kopf zur Seite geneigt, als ob er sich überlegte, wie wahr ihre Aussage wohl war. Zögernd streckte er auf einmal die Hand aus und strich ihr mit einem Finger über die heiße Wange. Er schien selbst nicht ganz zu wissen, was er da tat. Sie erstarrte. Als er ihre Reaktion bemerkte, verzog er gequält das Gesicht. Er ließ die Hand sinken, und seine Augen bekamen einen schrecklich traurigen Ausdruck.
    »Er braucht dazu nicht deine Erlaubnis«, murmelte er. »Du befindest dich jetzt in seiner Welt. Es gibt niemanden, der ihn daran hindern wird, das zu tun, was er tun will.« Sein Blick wanderte über ihr Gesicht und ihren Hals bis zum offenen Kragen ihrer weißen Seidenbluse. Jetzt röteten sich seine Wangen. »Alles, was er will.«
    Sie widerstand dem Drang zurückzuweichen und richtete sich stattdessen auf. »Ich kann mich schon um mich selbst kümmern.«
    Er richtete einen Moment lang die Augen auf ihr Gesicht und nickte. Sein Mund verzog sich zu der Andeutung eines Lächelns. »Das weiß ich.« Das Lächeln verschwand, und er runzelte die Stirn. Seine nächsten Worte kamen ihm nur stockend und stammelnd über die Lippen. »Aber … Wenn du irgendetwas brauchst … irgendetwas … ich bin für dich da. Ich würde dir gerne … du kannst immer … Was ich eigentlich sagen will, ist, dass ich … ich möchte …«
    Er hielt inne, und sie sah ihn ernst und abwartend an. Das ließ ihn noch röter werden. Er schaute weg und atmete tief durch. Dann murmelte er etwas vor sich hin und verbarg das Gesicht hinter einer Hand, als ob er sich schämen würde. In diesem Moment begriff sie, was da vor sich ging. Ihr wurde klar, dass Christian ihr mehr anbot als nur seine Hilfe.
    Ihr Puls begann schneller zu schlagen. Sie fühlte sich hin und her gerissen zwischen Mitgefühl – sie wusste, was es hieß, einsam und voller Sehnsucht zu sein –, größter Peinlichkeit und dem starken Wunsch, einfach auf dem Absatz kehrtzumachen und in die mondbeschienene Nacht hinauszulaufen, um all das hier hinter sich zu lassen.
    Antworten, rief sie sich ins Gedächtnis. Ich bin hierhergekommen, um Antworten auf meine Fragen zu erhalten, und ich gehe nicht eher, bis ich sie habe. Ganz gleich, wie seltsam das alles hier wird.
    Hinter diesem Entschluss verbarg sie sich wie hinter einem Schild. Sie erinnerte sich daran, was ihre Mutter immer gesagt hatte, wenn es besonders schwierig wurde.

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