Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
überzeugen, mich nach Hause zu bringen, und so floh ich.« Eine Ausrede – was für eine Bezeichnung für ein Baby, selbst für eins, das es nie gegeben hatte. Nach wie vor mehr beschämt über diese Lüge als über alle anderen, die sie jemals erzählt hatte, hätte sie am liebsten wie ein Kind die Hände vors Gesicht geschlagen und sich dahinter versteckt. Stattdessen setzte sie sich aufrechter hin und faltete die Hände, damit sie nicht zitterten. Dann erzählte sie von Richards Krankheit. »Es war meine Schuld, dass er gestorben ist.«
»Nein. Die Schuld daran trägt dein Erzeuger, dieser Mistkerl, und der Mann, mit dem er dich verheiratet hat.«
»Lord Burghersh traf selbst seine Entscheidung«, sagte Brand. »Ihr hättet ihn nicht dazu überreden können, zurückzureisen, wenn er es nicht selbst gewollt hätte.«
»Nein, Sir, da irrt Ihr Euch. Richard traf selten eine eigene Entscheidung. Mein Vater, York, Bedford, der König: Sie alle zerrten an ihm herum und beeinflussten ihn, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Aber niemand hat ihn sich so sehr zu Willen gemacht wie ich. Das einzige Mal, dass er sich mir widersetzte, war, als er darauf bestand, weiter nach Burwash zu reiten, und das tat er nur, weil ich ihn zuvor so sehr beschworen hatte, nach Hause zu reisen. Nein, ich bin für seinen Tod verantwortlich.«
Gunnar unterbrach seine Schritte. »Sagtest du nicht, er sei im Herbst gestorben?«
»Im Oktober.« Sie verstand, worauf er hinauswollte, und beeilte sich zu erklären: »Ich wollte nichts sehnlicher als mich auf Rosabelle schwingen und losreiten, um dich zu finden. Aber der Winter stand vor der Tür, und Richard war nicht nur mein Ehemann, sondern auch mein Cousin. Deshalb war ich es ihm schuldig, eine Zeitlang um ihn zu trauern, wenn auch aus keinem anderen Grund. Und ich wusste nicht genau, wo du warst. Also beschloss ich, ein Grabmal für ihn errichten zu lassen, während ich darauf wartete, bis das Wetter milder wurde, so dass ich das Tal suchen konnte. Aber ich wartete zu lange.« Sie erzählte den drei Männern vom unerwarteten Besuch ihres Vaters in Upton on Severn und was sich seitdem abgespielt hatte.
»Aber du bist Witwe«, rief Gunnar aufgebracht. »Du kannst deine Wahl selbst treffen.«
»Sogar ich weiß, dass das bei Euch Engländern so üblich ist«, sagte Brand, dessen Ärger sich schließlich doch in Form angespannter Kiefermuskeln manifestierte.
»Aye. Aber bei meinem Lord Vater ist es üblich, dass er bekommt, was er will, selbst wenn das heißt, seine Töchter wie Huren zu verschachern, um es zu erhalten. Ich bin nicht die einzige Tochter, die gegen Macht und Besitztümer eingetauscht wurde, ungeachtet dessen, ob sie glücklich ist, lediglich die einzige, die es gewagt hat, sich anderweitig umzusehen. Hätte ich mich ihm widersetzt, dann hätte er mich ganz bestimmt noch einmal geschlagen und mich anschließend in Fesseln, mit einer Schwertspitze vorwärtsschiebend, zu Percy gebracht. Also habe ich so getan, als wäre ich einverstanden, um sein Vertrauen zu gewinnen, wobei ich die ganze Zeit über nach einer Möglichkeit suchte, um ihm zu entkommen. Als der König, mein Cousin, Gott möge ihn schützen, ihn an den Hof rief, dachte ich, die Heiligen wären schließlich doch auf meiner Seite. Aber sobald Westmorland fortgeritten war aus meinem Leben, ritt Tunstall hinein. Und noch mehr Männer mussten meinetwegen sterben.«
»Ihr wollt Euch eindeutig zu viel aufladen, Mylady«, sagte Torvald.
»Aye. Ebenso gut könntest du mir die Verantwortung dafür auf die Schultern legen«, gab Gunnar zu bedenken. »Ich war derjenige, der all das ins Rollen gebracht hat, als ich zu dem Turnier nach Raby kam und mir deinen Gunstbeweis nicht ganz fair geholt habe.«
»Das Turnier.« Sie sah ihn mit einem schmerzhaft reumütigen Gesicht an. »Jetzt wo du mich daran erinnerst. Einer meiner Begleiter war John Penson, von der Liebesburg.«
»Der Knappe, dem ich geholfen habe?«
»Aye. Erwachsen und zum Ritter geschlagen, und nun liegt er unbegraben und ungesegnet einen halben Tagesritt weiter südlich von hier im Ginster.« Meinetwegen. Unausgesprochen hingen die Worte in der Luft.
Trauer und Wut mischten sich in das Schweigen, das sich über alle vier legte.
Das Schweigen wurde erst gebrochen, als Brand aufstand. Er pfiff, und der Rabe flog von seiner Stange zu ihm hinüber und setzte sich auf seine Schulter. »Ihr habt Mut, Mylady, mehr als manche Männer. Aber ich glaube, Ihr und
Weitere Kostenlose Bücher