Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
hat. Darum geht es ja bei einer guten Wette.« Gunnar wandte sich an Torvald. »Wenn du wolltest, könntest du dir ein paar Schillinge zusätzlich damit verdienen.«
Torvald nickte. »Mal sehen, vielleicht.«
»So, für heute Abend bin ich satt, deshalb werden erst mal keine Wetten gewonnen oder verloren.« Brand stopfte sich den letzten Bissen in den Mund und leckte sich das Fett von den Fingern. »Lady Eleanor, Ari sagte, Ihr wäret recht früh aufgewacht und hättet Jafri dabei geholfen, die Pferde Eurer Männer und die der anderen voneinander zu trennen.«
»Ja, ich habe ihm dabei geholfen, aber …« Sie unterbrach sich, irritiert. »Sir Ari sagte? Wie denn? Ich dachte, Ihr und er würdet Euch nie sehen?«
»Wir hinterlassen uns Nachrichten, Mylady. Also, meistens hinterlässt Ari mir Nachrichten. Er kann morgen anfangen, die Pferde der Vogelfreien zum Markt zu bringen, immer eins oder zwei auf einmal.«
»Jafri sagte, er würde sie zu verschiedenen Märkten bringen, damit niemand merkt, woher sie kommen.«
»Aye.«
»Abgesehen von Tunstalls Wallach besteht kaum die Gefahr, dass jemand sie wiedererkennt«, sagte Eleanor. »Die anderen sind schottische Pferde – und ziemlich schorfig noch dazu.«
»Das sind sie wirklich«, stimmte Brand lachend zu. »Aber trotzdem ist jedes bestimmt noch eine oder zwei Mark wert. Die kleine schwarze Stute ist ein edles Tier. Sie gehört Euch, stimmt’s?«
Eleanor nickte. »Sie heißt Rosabelle.«
»Sie bevorzugt ihr rechtes Vorderbein«, sagte Gunnar.
»Sie ist in den Ginsterbüschen hängengeblieben, als ich versuchte, vor Tunstall zu fliehen. Jafri hat ihr einen Wickel gemacht, und die Wunde beginnt schon zu heilen. Richard ist letzten Winter am Fieber gestorben.« Der letzte Satz platzte unerwartet heraus, irgendwie war sie in Gedanken von Wickeln und Heilkräutern wie von selbst auf Richard gekommen. Die drei Gesichter um sie herum wirkten so überrascht, wie sie sich fühlte. »Tut mir leid, ich wollte nicht …«
»Ich habe mich schon gefragt, wie Ihr hierhergekommen seid«, sagte Brand.
»Ich schulde Euch ohnehin eine Erklärung, nach allem, was Ihr für mich getan habt.«
»Aber ich dachte …«, begann Gunnar, doch dann schüttelte er den Kopf. »Macht nichts. Du kannst es ebenso gut uns allen erzählen.«
Sie fing an mit jener Nacht nach dem Maifeiertag auf Raby, erzählte von der unseligen Wut ihres Vaters und davon, wie man sie nach Clementhorpe geschleppt hatte, gleich am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne am Horizont erschienen war. Brand und Torvald hörten geduldig zu, wenngleich stirnrunzelnd, aber Gunnar wurde mit jedem Wort aufgewühlter, bis er schließlich aufsprang.
»Bikkjusonr!«
»Er ist ihr Vater, Gunnar. Sprich respektvoller von ihm!«, mahnte Brand.
Torvald fing Eleanors Blick auf und beantwortete ihre unausgesprochene Frage. »Das heißt Sohn einer … Hündin.«
Gunnar lief in dem vom Feuer erhellten Kreis hin und her und blieb nur lang genug stehen, um einen Stein zu kicken, der in die Dunkelheit davonschoss und gegen die Felswand am anderen Ende des Tals krachte. Er drehte sich um zu Eleanor. »Er sagte mir, du hättest beschlossen, die Verlobung aus freien Stücken einzuhalten. Er sagte, du würdest dich zu sehr schämen, um mir unter die Augen zu treten, und dass du freiwillig zu Richard wolltest.«
»Du hattest mir kurz zuvor erzählt, ich dürfe niemandem von deiner Verfluchung erzählen, weil die Kirche dich dann foltern und die Folter kein Ende nehmen würde. Mein Vater benutzte exakt die Androhung der Folter, fast als ob er wüsste, dass ich sie am meisten fürchtete.« Über das Feuer hinweg begegnete sie Gunnars starrem Blick. »Ich tat, was ich tun musste, um ihn davon abzuhalten, dich zu verfolgen. Ich ging gehorsam zu Richard, aber ich ging nicht freiwillig.«
Schmerz spiegelte sich in seinem Gesicht, und sie wusste, dass er verstanden hatte – dass sie alle verstanden hatten –, und sogleich fuhr sie fort, bevor das Gefühl der Scham, weil sie alle nun Mitwisser waren, sie davon abhalten konnte.
»Mein Vater ließ ein paar Männer bei Richard, die den Befehl hatten, dich lebendig zu ergreifen, wenn du dich in meine Nähe wagen würdest, bevor ich einen Erben zur Welt gebracht hätte. Sie haben uns auch nach Alnwick begleitet. Als ich erfuhr, dass du auf Lesbury warst, fürchtete ich, du würdest versuchen, dich mir zu nähern, deshalb ließ ich mir eine Ausrede einfallen, um Richard davon zu
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