Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
riechen, aber auch die Abscheu, angesichts des zerschlagenen Körpers auf dem Asphalt, um den sich eine große Lache Blut ausbreitete.
Lucy schluchzte und barg das Gesicht in den Händen, um den Anblick nicht länger in sich aufnehmen zu müssen, während Gernot wie fröstelnd die Schultern hochzog und etwas von »Burn-out« murmelte. Eine Erklärung, die heutzutage für so vieles herhalten musste. Warum nicht für einen spontanen und so unerklärlichen Selbstmord?
Raika schnaubte leise, doch zum Glück klang es nur in ihren eigenen Ohren amüsiert. Sie wartete, bis die beiden Rettungssanitäter Brents Reste auf eine Tragbahre gepackt und mit einem Tuch abgedeckt hatten, dann wandte sie sich ab. Die Nacht war noch jung und konnte noch so viel Überraschendes bereithalten. Unter diesen Umständen würde ihr Chef vielleicht verstehen, dass sie die Arbeit nicht zu Ende bringen würden. Nein, weder Lucy noch Gernot sahen so aus, als würden sie sich heute Nacht wieder an ihren Computer setzen, um die Pläne fertig zu zeichnen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte sich Raika ab und schlenderte fröhlich vor sich hin summend die Straße entlang, bis die Dunkelheit sie verschlang.
Kapitel 1
LORENA
»Mr. Clayton, wir haben zu danken«, sagte Lorena und versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. »Ja, ich melde mich wieder. Nein, wir haben alle Daten. Wir schicken Ihre Abrechnung wie üblich sofort raus. Ich wünsche Ihnen auch ein schönes Wochenende.«
Sie berührte die Markierung auf ihrem Touchscreen, beendete das Telefonat und atmete tief durch. Dann wandte sie sich ihrem Chef zu, der gerade bei ihrem Kollegen zwei Arbeitsplätze weiter stand. »Sir, fünf Millionen der Mobiloptionen gehen an die Westland Corporation.«
Er wandte sich ihr mit aufmerksamer Miene zu. »Kurs?«
»Dreizehn fünfundneunzig.«
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Gut gemacht!«
Lorena spürte, wie sie errötete. Es kam nicht oft vor, dass sie von ihrem Chef vor den anderen gelobt wurde.
»Ich rufe gleich noch bei Liberten durch und biete ihnen auch welche an«, sagte sie eifrig und scrollte auf ihrem Bildschirm bereits die Seiten der Kontaktdaten durch.
»Die sind bestimmt schon ins Wochenende verschwunden«, prophezeite David, der links neben ihr saß. »Und das werde ich jetzt auch tun.« Er erhob sich und begann, seinen Aktenkoffer zu packen.
»Was hast du vor?«, erkundigte sich Mercedes von schräg gegenüber und warf mit einer neckischen Bewegung ihr langes dunkles Haar zurück. Ihre Mutter stammte aus Argentinien, und sie hatte von ihr die rassige Schönheit geerbt.
David machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Mal sehen. Ich habe da so meine Vorstellungen.«
»Ah, eine neue Flamme?«, bohrte Mercedes nach, doch er gab sich zugeknöpft.
»Der Gentleman genießt und schweigt.«
»Pah«, gab Mercedes zurück. »Ich verrate dir auch etwas über mein Date, wenn du mir ihren Namen sagst.«
»Oh, jetzt hast du ihn aber in Zugzwang gebracht«, mischte sich Peter ein und lachte. »Schnell Alter, denk dir was aus, sonst stehst du mit deiner Aufschneiderei ganz dumm da.«
»Aufschneiderei? Was denkst du! Sie ist ganz wunderbar, aber das geht euch nichts an. Vielleicht werde ich sie euch irgendwann mal vorstellen, aber nur wenn ihr euch gut benehmt.«
So scherzten sie und neckten sich gegenseitig, während sie ihre Jacken anzogen und ihre Aktenmappen schlossen. Nur Lorena saß noch still an ihrem Platz und notierte sorgfältig die Abwicklungsdaten des letzten Verkaufs. Ein Hauch von Parfüm wehte ihr in die Nase und ließ sie aufsehen.
»Hi Lorena, du hast doch sicher heute Abend nichts vor?« Alice sah mit diesem treuherzigen Blick auf sie herab, der so falsch war wie ihr süßlicher Tonfall.
Lorena erwiderte nichts, obgleich sie genau wusste, was ihre Kollegin ihr damit sagen wollte.
»Weißt du, ich habe es wahnsinnig eilig. Ryan und ich wollen heute ins Peppermint gehen. Ein total angesagter Laden«, säuselte sie und legte unauffällig einen Stapel rosaroter Blätter auf Lorenas Schreibtisch. »Man kann von Glück sagen, wenn man einen Tisch bekommt.«
Lorena erwiderte noch immer nichts. Sie hielt ihren Blick auf ihre Kollegin gerichtet, bis diese ein wenig nervös anfing, sich eine ihrer langen roten Haarsträhnen um den Finger zu wickeln.
»Ich meine, wenn du es nicht eilig hast, dann könntest du noch die Durchschläge hier ablegen und die Abschlüsse eintragen. Das
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