Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)
verhindern.
Peter schleppte sich ins Dorf. Er hielt sich den schmerzenden Schädel. Bei einem der ersten Häuser blieb er stehen, ging hinter das Haus und beugte sich unter einen Wasserhahn, den er aufdrehte. Das kalte Wasser floss über seinen Kopf und die Beule und ließ die Schmerzen erträglicher werden.
Peter warf sich kaltes Wasser ins Gesicht und trank aus den hohlen Händen. Dann setzte er seinen Weg fort. Er merkte, dass man ihn beobachtete. Aus den Fenstern der niederen Häuser, hinter den Gardinen verborgen, schauten Leute hervor. Kein Mensch war auf der Straße, auch keine spielenden Kinder.
Nur ein Hund trottete an Peter vorbei. Es war, als ob die Stornowayer sich schämen würden, ein schuldloses Mädchen an die Teufelsanbeter ausgeliefert zu haben. Die Einwohnerschaft verkroch sich.
Peter überlegte, ob er gleich auf dem Festland anrufen sollte. Doch er wusste nicht, an wen er sich wenden sollte. Die Nummer von New Scotland Yard in London war ihm nicht bekannt. Er hatte auch kein Geld bei sich, um ein Ferngespräch in einer der beiden Telefonzellen außerhalb der Post des Ortes bezahlen zu können.
Am besten war also, sich erst einmal an den Konstabler zu wenden. Der hieß Ernest Hayward. Peter traf ihn in der Dienststelle an. Hayward, ein kräftiger Mann von knapp fünfzig Jahren, trug eine dunkelblaue Uniform. Er stammte von einer anderen Hebrideninsel. Peter hoffte, dass er nicht auf der Seite der Mortons und der Einheimischen stehen würde und sich seiner Pflichten als Polizeibeamter ihrer Majestät bewusst war.
Ein britischer Konstabler konnte weder ein Teufelsanbeter sein, noch solche unterstützen, glaubte Peter.
Konstabler Hayward saß hinter einem langen Tresen an einem Tisch vor einer uralten Schreibmaschine und tippte konzentriert mit zwei Fingern. Bei Peters Eintreten schaute er auf. »Ah, unser Lehrer. Guten Tag. Was kann ich für dich tun?«
»Weißt du das nicht?« Peter hatte bei seinen seltenen Pubbesuchen mit dem Konstabler hin und wieder ein Glas Ale getrunken und Dart gespielt. Er sprach Hayward deshalb vertraulich an. »Hier ist ein Mädchen verschleppt worden, Ernest.«
»Was sagst du? Um wen soll es sich handeln? Ich bin gerade erst vor einer halben Stunde von McCormacks Farm an der Nordbucht zurückgekehrt. McCormack sind Schafe gestohlen worden.«
»Zum Teufel mit deinen Schafen!«, brauste Peter auf.
Er erzählte die ganze Geschichte, von dem Augenblick angefangen, da er Letitia ins Fahrrad gelaufen war, über ihre Erzählung und wie man sie dann überwältigt und ihn bewusstlos geschlagen hatte.
Konstabler Hayward hörte mit dienstlicher Miene zu.
»Das ist eine abenteuerliche Geschichte!«, sagte er, als Peter geendet hatte. »Du erhebst schwerwiegende Anschuldigungen. Hast du Beweise dafür?«
Peter zeigte ihm seine Beule.
»Da siehst du. Da habe ich den Schlag erhalten.«
»Das sehe ich, dass du eine ordentliche Beule hast. Sie schaut schlimm aus. Warst du damit schon beim Arzt?«
»Nein, und ich will auch nicht hingehen. Hier dreht es sich um Letitia. Die Mortons haben sie verschleppt. Womöglich wollen sie sie dem Teufel opfern.«
Konstabler Hayward schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und war überfordert. Die Kriminalitätsrate in Stornoway war gering. Hayward hatte es meist mit sehr einfachen Fällen zu tun. Dadurch war er im Lauf der Jahre nicht gerade gewitzter geworden.
»Mir kommt in Stornoway zwar auch manches merkwürdig vor, Peter, aber das habe ich immer darauf geschoben, dass die Einheimischen nun einmal Eigenbrötler sind. Meine Frau ist eine Einheimische. Aber sie hat mir nie erzählt, dass die Mortons den Teufel anbeten würden. Eine Heidenangst hat sie allerdings vor den Mortons, besonders vor der alten Helen. Das ist in Stornoway seit Generationen eine Art Urangst, wie es scheint. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das zutrifft, was du da erzählst, Peter.«
»Oh du es dir vorstellen kannst oder nicht, es ist jedenfalls so. Was gedenkst du zu unternehmen, Ernest? Es ist deine Pflicht, meiner Anzeige nachzugehen.«
»Teufelsanbeter, mit denen ganz Stornoway unter einer Decke steckt«, murmelte Konstabler Hayward und kratzte sich am Kinn. »Ein Teufelskopf über der Kutsche der Mortons. Hm, hm, hm. Bist du sicher, dass du nach dem Schlag auf den Kopf nicht an Halluzinationen leidest?«
Peter knirschte mit den Zähnen. Jetzt erfuhr er, wie es Letitia zumute gewesen sein musste, als er sie der
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