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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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aber doch den Kopf gekostet, denn er ist nach der Schlacht am Weißen Berg mit vierundzwanzig anderen Herren vom böhmischen Adel auf dem Altstädter Ringplatz hingerichtet worden. Und da kannst du wieder sehen, wie die Geschichtsprofessoren am Gymnasium und die Herren, die die Geschichtsbücher für die Schulen verfassen, wie die alle zusammen nichts wissen und nichts verstehen. Sie werden dir erzählen und haargenau beweisen, daß die böhmischen Aufständischen die Schlacht am Weißen Berge verloren haben, weil auf der anderen Seite der Tilly kommandierte und weil ihr Feldherr, der Graf von Mansfeld, in Pilsen geblieben war, oder weil sie ihre Artillerie nicht richtig postiert hatten und weil ihre ungarischen Hilfstruppen sie im Stiche ließen. Das ist alles Unsinn. Die böhmischen Aufständischen haben die Schlacht auf dem Weißen Berg verloren, weil der Peter Zaruba damals im Wirtshausgarten nicht den Verstand gehabt hat, den Wirt zu fragen: >Wie kannst du zwölf solche Portionen für drei böhmische Grosehen geben, das ist doch, Mensch, eine volkswirtschaftliche Unmöglichkeit! < Und so hat also Böhmen seine Freiheit verloren und ist österreichisch geworden, und wir haben jetzt das k.u.k. Tabakmonopol und die k.u.k. Militärschwimmschule und den Kaiser Franz Joseph und die Hochverratsprozesse, weil der Peter Zaruba von den böhmischen Dalken und Golatschen, die ihm seine Hauswirtin gemacht hat, schon genug gehabt hat, sie waren ihm nicht fein genug, und weil er also von des Kaisers Tisch gegessen hat.«
    Das Gespräch der Hunde
    An einem Wintertage des Jahres 1609, einem Sabbat, wurde der Jude Berl Landfahrer aus der Stube, die er in einem Hause des Ufergäßleins in der Prager Judenstadt innehatte, herausgeholt und in das Altstädter Gefängnis abgeführt, das die Prager Juden in Erinnerung an die Zwingburgen Ägyptens »Pithon« oder auch »Ramses« nannten. Er sollte am nächsten Morgen auf dem Schindanger zwischen zwei Straßenhunden gehängt und auf diese Art vom Leben zum Tode befördert werden.
    Dieser Berl Landfahrer war sein ganzes Leben lang vom Unglück verfolgt. Von Jugend aufwar ihm alles mißraten. Er hatte es mit vielen Berufen versucht und war dabei mit aller Mühe und Plage so arm geblieben, daß er am Sabbat und an Wochentagen den gleichen Rock trug, und andere haben doch für jeden Halbfeiertag einen anderen Rock. Zuletzt hatte er in den Dörfern der Umgebung die Häute des geschlagenen Viehs, die ihm die christlichen Fleischhauer übrigließen, gekauft, aber das geschah zu einer Zeit, in der sich die Bauern in den Kopf gesetzt hatten, zwölf Kreuzer für eine Haut zu verlangen, die nicht achte wert war. Wenn der Berl Landfahrer, sagten seine Nachbarn in der Ufergasse, beginnt, mit Kerzen zu handeln, so geht die Sonne gewiß nicht mehr unter. Wenn es Dukaten regnet, sagten sie, sitzt er in der Stube, aber wenn Steine vom Himmel fallen, da ist er auf der Gass'. Es gibt keinen Knüppel, über den er nicht stolpert, und wenn er Brot hat, so fehlt ihm das Messer, und hat er beides, so findet er kein Salz.
    Daß er am heiligen Sabbat, aus der Festesfreude heraus, verhaftet und hinweggeführt worden war, das gehörte auch zu seinem Unglück. Dabei konnte man nicht sagen, daß er in dieser Sache völlig unschuldig war, denn das wahre Mißgeschick kommt ja nicht von Gott. Er hatte von einem Soldaten einen mit Zobelpelz verbrämten Mantel und ein Samtgewand mit hängenden Armein zu einem, wie er selbst zugab, ungewöhnlich billigen Preis gekauft. Er wußte nicht, daß der Herr Oberst Strassoldo, Kommandant der in der Altstadt liegenden kaiserlichen Truppen, der vom Kaiser der unruhigen Zeiten wegen große Vollmachten erhalten hatte, zwei Tage zuvor mit Androhung des Galgens ein Verbot erlassen hatte, irgend etwas von Soldaten zu kaufen, wenn diese nicht eine Bescheinigung ihres Hauptmannes vorweisen konnten, daß ihnen der Verkauf erlaubt sei. Es waren nämlich in der Altstadt von unbekannten Soldaten Einbrüche verübt und aus adeligen Häusern kostbare Stoffe, Vorhänge und Kleider entwendet worden. Das Verbot war dem Brauche gemäß in allen Gotteshäusern der Judenstadt, in der Alt- und in der Neuschul, in der Pinchas-, der Klaus-, der Zigeuner-, der Meisl-, der hohen und der Altneuschul, ausgerufen worden, aber just an diesem Tage war Berl Landfahrer daheim in seiner Stube so tief in die geheimen Lehren des Buches »Raja Mehemna« oder »Der getreue Hirte« versenkt gewesen, daß er darüber

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