Nachts unter der steinernen Bruecke
der Dame zu, und sie erkannte ihren Liebhaber, der sich auf diese Art Eintritt in ihr Haus verschafft hatte, ohne daß das Gesinde etwas merkte.
Die junge Frau schickte die Magd sogleich mit den Fischen in die Küche, und wie sie nun miteinander allein waren, flüsterte er ihr zu, er habe seit Tagen an nichts anderes gedacht, als wie er zu ihr gelangen könne, aber, verdammt der Fischhändler, sein Mantel rieche so übel, daß es nicht zu ertragen sei, — und sie drückte und preßte seine Hand und zog ihn mit sich in die Schlafkammer, und sie verbrachten die Nacht miteinander.
Der junge Erzherzog hatte mit angesehen, wie der Mantel und mit ihm der Taler in andere Hände übergingen, er hatte dann den Mantel im Haus verschwinden sehen, und nun wartete er darauf, daß er wieder zum Vorschein käme. Er ging auf und nieder, auf und nieder, er wurde müde, und die Stunden schlichen so langsam dahin.
Gegen Morgen, als es zu dämmern begann, sah er den neuen Besitzer des Mantels, der sich mit den Beinen voran aus einem Fenster schwang, dann mit beiden Händen den dicken Ast eines Birnbaums ergriff und von Ast zu Ast sich schwingend sich hinabließ, bis er zuletzt wie eine reife Birne auf den Rasen fiel. Für einen Augenblick zeigte sich eine junge Frau im Nachtgewand am Fenster und warf dem Besitzer des Mantels eine Kußhand und den Mantel nach. Die Kußhand erreichte ihr Ziel. Der Mantel verfing sich in den Zweigen des Birnbaums. Der Besitzer des Mantels richtete sich auf, erklomm mit ziemlicher Anstrengung die Gartenmauer und sprang nach einigem Zögern und Uberlegen hinab. Unten angelangt rieb er sich sein Knie und tastete nach seinen Knöcheln, und dann machte er sich, einen Fuß leicht nachziehend, rasch davon. Der Mantel blieb im Geäst des Birnbaums hängen, roch übel und bauschte sich im Wind.
Der junge Erzherzog zweifelte nicht daran, daß der Mantel bald wieder einen neuen Herrn finden werde, und wirklich, nicht lange hernach kam ein mit Weinfässern schwer beladener Wagen daher gefahren. Als der Fuhrmann den Mantel im Geäste des Birnbaums hängen sah, fuhr er ganz dicht an die Gartenmauer heran, hielt an und holte ihn mit seinem Peitschenstiel herunter. Dann warf er ihn hinter sich auf die Weinfässer und fuhr weiter, und der Sohn des Kaisers folgte dem Wagen nach.
Er hatte nicht gar lang zu gehen. Vor einer Herberge auf dem Kleinen Ringplatz blieb der Wagen stehen, die Weinfässer wurden mit viel Lärmen abgeladen, die Pferde in den Stall geführt, der Wagen kam in den Schuppen. Der Fuhrmann nahm den Mantel und ging hinüber ins Judenquartier, und in der Breiten Gasse, die aber auch nur ein enges, wenngleich sehr belebtes Gäßlein war, trat er in den Laden eines Altkleiderhändlers.
Der Juden fremdartige Gesichter und absonderliche Gebärden, ihr geschäftiges Treiben, und daß er da, von der Menge hin und her gestoßen, vor einem Trödelladen stand, das alles erschien dem Sohn des Kaisers wie ein wirrer Traum. Oben auf der Burg hatte man sein Verschwinden sicherlich schon entdeckt, und nun war alles in Bewegung, um ihn aufzufinden, aber hier im Judenquartier suchte ihn keiner. Er verfluchte die Stunde, in der er, nur von seinem Vorwitz beraten, den Taler an sich genommen hatte. Er war übernächtig, müde, hungrig, — es war ihm elend zumut'. Aber er durfte nicht fort, er mußte bleiben und sehen, wohin der Taler lief.
In einer wandernden Garküche, deren es viele in den Judengassen gab, kaufte er sich ein gesottenes Ei, einen Apfel und ein Stücklein Brot. In der lärmenden Gasse wollte er nicht länger stehen und warten, und so trat er in den Trödelladen ein.
Der Altkleiderhändler, der den Mantel in der Hand hielt, indes der Fuhrmann auf ihn einsprach, warf einen Blick auf den Neueingetretenen, und mit diesem einen Blick hatte er den Wert seines Hutes, seiner Halskrause, seiner Kleider und ihres Aufputzes und seiner Schuhe abgeschätzt und zugleich festgestellt, daß dieser Besucher seines Ladens nicht um zu kaufen oder zu verkaufen gekommen war, sondern aus einem anderen, noch nicht ersichtlichen Grund. Und er fragte ihn, womit er ihm zu Diensten sein könnte.
Der junge Erzherzog erbat sich die Gunst, hier im Laden ein wenig zu rasten und sein Frühstück verzehren zu dürfen. Er sei, sagte er, die ganze Nacht auf den Beinen gewesen und habe noch einen weiten Weg vor sich. Dann ließ er sich, nachdem er ein Paar Schuhe und einen Gürtel beiseite geschoben hatte, auf eine Bank, die an der Wand stand,
Weitere Kostenlose Bücher