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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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tat er, als hielte er sie noch immer für Menschen von Fleisch und Blut und fragte, woher das viele Geld käme.
    »Du wirst es«, sagte der eine, der schon vordem gesprochen hatte, »dereinst erfahren, wenn du es noch nicht weißt, du Erstgeborener und Erbe der drei Kronen, daß das Gold dem Feuer entspringt, das Silber der Luft, das Kupfer dem Wasser.«
    »Und wem gehört es? Für wen hütet ihr es?« fragte der Sohn des Kaisers weiter, und er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
    »Das alles«, lautete die Antwort, »ist für einen aus dem verfolgten Stamm bestimmt, für den Mordechäus Meisl, deinen künftigen Karnmerknecht.«
    Und der andere, der bis nun geschwiegen hatte, wiederholte mit einer Stimme, die noch furchtbarer klang als die des ersten:
»Für den Mordechäus Meisl, deinen Kammerknecht.« Des Kaisers Kammerknechte, — so wurden in jenen Tagen die Prager Juden genannt. Und in dem jungen Erzherzog überwog für einen Augenblick der Verdruß die Angst. Er verzog den Mund.
    »Soll denn alles einem Juden gehören?« rief er. »Das gilt nicht. Ich will auch meinen Teil.«
Und um sich selbst seinen Mut zu beweisen, nahm er von dem silbernen Haufen, der ihm zunächst lag, einen Taler, der trug auf der einen Seite das Bildnis seines Vaters und auf der anderen das Landeswappen, den böhmischen Löwen.
Der Schweigsame von den beiden Dämonen, der »Furchtbare und Starke«, hob drohend seine Stange, doch der andere fiel ihm in den Arm.
»Du Zornmütiger, was tust du?« rief er ihm zu. »Du weißt, es steht geschrieben: Der Zornmütige ist dem Götzendiener gleich.«
Dann wandte er sich an den Sohn des Kaisers.
»Behalte den Taler, behalte ihn nur!« sagte er. »Du wirst nicht Glück , noch Frieden haben, bis er nicht in den Händen dessen ist, für den er bestimmt ist.«
Im nächsten Augenblick war alles verschwunden: die Männer, die Lichtung, die drei leuchtenden Haufen, und der Sohn des Kaisers stand allein im dunkeln Tannenwald.
Jetzt gab er sich keine Mühe mehr, seine Angst zu unterdrücken. Er lief und stolperte über Steine und Baumwurzeln, ein Ast riß ihm den Hut vom Kopf, sein Mantel blieb im Buschwerk hängen. Als er sein Pferd gefunden hatte, wurde er ruhiger. Er führte es in die Richtung, die ihm gewiesen worden war, und eine kurze Weile später kam er auf den Weg, der nach Benatek führte.
Aber erst, als er wieder zu Pferd saß und dahinritt, merkte er, daß er den entwendeten Taler noch immer in der Hand hielt.
Am nächsten Tag erhielt der junge Erzherzog die Nachrieht, daß sein geliebtester Herr Vater, der Kaiser, in der Prager Burg an einem Fieber erkrankt sei. Er machte sich sogleich auf den Weg zurück nach Prag, da stürzte sein Pferd und zerschlug sich ein Bein. Er setzte seine Reise in einem Bauernfuhrwerk fort, da brach dem Wagen die Achse. Und als er nach mancherlei anderen Zufällen und Behinderungen endlich in die Prager Burg kam, da empfing ihn sein Herr Vater seines verspäteten Eintreffens wegen mit harten und zornigen Worten, drehte sich zur Wand und wollt' auf keine Entschuldigung hören.
Aber das war nicht alles. Während seiner Abwesenheit war in einem von den Zimmern, die er in der Prager Burg bewohnte, ein Brand entstanden, der hatte ihm seinen schönsten flandrischen Teppich, ein Geschenk des spanischen Königs, verdorben. Auch war sein Lieblingshund, ein kleines spanisches Windspiel, »Graumännlein« genannt, aus der Burg entlaufen und trotz allem Suchen nicht wiedergefunden worden.
Der junge Erzherzog wußte wohl, woher all dies Mißgeschick über ihn kam. Er durfte den entwendeten Teder nicht länger behalten, er mußte ihn in die Hände des Mannes gelangen lassen, für den er bestimmt war.
Einer von den beiden Leibärzten des Kaisers war ein getaufter Jude, der aus Candia in Griechenland auf die Prager Burg berufen worden war. Der kannte alle Judengemeinden in der Levante, in Italien und Deutschland, stand auch trotz der an ihm vollzogenen Taufe mit den Prager Juden in Relation. Den fragte der junge Erzherzog nach dem Mordechäus Meisl.
Der Arzt strich sich den Bart und dachte lange nach. Dann fragte er, wo dieser Jude lebe und von welchem Handel oder Gewerbe er sich nähre.
»Ich mein', er ist ein großer Zauberer und Alchimist, hat in der unsichtbaren Welt auch große Gewalt, lebt hier im Land«, sagte der Sohn des Kaisers.
Der Arzt schüttelte den Kopf. Er kannte keinen Mordechäus Meisl, hatte diesen Namen auch nie gehört.
Nun entsandte der

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