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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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nieder und zog das Ei und das Brot hervor. Der Altkleiderhändler wandte sich wieder dem Mantel und dem Fuhrmann zu.
»Was soll ich mit ihm?« fragte er, und dabei drehte und wendete er den Mantel hin und her und deutete mit dem Finger auf die Flicken und Löcher. »Ich hab' den Laden voll von solcher Ware, die nicht abzusetzen ist.«
»Aber zwölf Pfennige ist er dennoch wert«, meinte der Fuhrmann. »Einen Mantel braucht jeder, und wenn das Geld zu einem neuen nicht reicht, so kauft er einen alten.«
»Aber nicht solch einen«, wendete der Altkleiderhändler ein. »Solch einen kauft keiner, heute, wo auch die Schreiner und die Bürstenbinder gefütterte Mäntel mit geschlitzten Armein tragen wie die Edelleute.«
»Zwölf Pfennige ist er dennoch wert«, redete ihm der Fuhrmann zu. »Mögen ihn auch die Bürstenbinder und die Edelleute nicht kaufen, so kauft ihn doch der geringe Mann.«
Der Altkleiderhändler begann mit kummervoller Miene von neuem den Mantel hin und her zu wenden.
»Er taugt nicht zu Kidusch und nicht zu Hawdolo«, erklärt er, und damit wollte er in der Juden Redeweise sagen, daß der Mantel zu gar nichts nütze sei. »Er ist wert ein ausgeblasenes Ei. Er ist eines Fischers Mantel, und der Fischgeruch ist nicht aus ihm herauszubringen.«
»Er mag eines Fischers Mantel sein«, gab der Fuhrmann zu, »ist aber dennoch« — er überlegte ein wenig — »zehn Pfennige wert.«
»Acht Pfennige, Euer Gestrengen!« sagte jetzt der Trödler und zählte ihm das Geld auf den Tisch. »Acht Pfennige, ich verliere bei dem Handel. Aber weil Ihr es seid und weil es das erste Geschäft ist, das ich heute mache, und damit Ihr ein andermal wiederkommt.«
Der Fuhrmann strich nach einigem Murren und Zögern die acht Pfennige ein und stampfte zur Tür hinaus.
Der junge Erzherzog, der auf der Bank saß und das Brot und das Ei verzehrte, war sehr zufrieden, daß der Handel so ausgegangen war, denn er hatte befürchtet, der Fuhrmann werde das Geld zurückweisen und mit dem Mantel davongehen, und dann wäre es aus mit seiner Rast gewesen, und er hätte, so müde er auch war, dem Taler in des Mantels Tasche noch weiter folgen müssen.
Der Händler warf den Mantel zu einem Haufen alter Kleider, der in einem Winkel lag. Der j unge Erzherzog holte ein Messerchen aus der Tasche hervor und begann seinen Apfel zu schälen. Und während er damit beschäftigt war, kam ein Mann, allem Anschein nach ein Schreiber, in den Laden und begehrte einen schwarzen Tuchrock mit Messingknöpfen und gepufften Ärmeln zu kaufen. Der Trödler holte etliche solche Röcke von den Schrägen und pries sie dem Schreiber an, doch dem war keiner recht, der eine war zu lang, der andere zu eng, bei diesem war das Tuch zu grob, bei jenem der Preis zu hoch, und nach vielem Hin- und Herreden und nachdem der Trödler in seinem Eifer so weit gegangen war, zu beschwören, der Herr Oberstburggraf selbst trüge, wenn er in die Altstadt käme, keinen Rock von auch nur halb so feinem Tuch, verließ der Schreiber den Laden, ohne daß sie handelseins geworden wären.
»Ihr treibt da, scheint es, ein recht mißliches Gewerbe«, bemerkte der junge Erzherzog und biß in seinen Apfel.
»Ein mißliches Gewerbe. Das ist das rechte Wort«, stimmte ihm der Altkleiderhändler bei. »Und voll Sorgen und Plage. Auf zwölf, die feilschen, kommt einer, der kauft. Viel Schaden tun uns auch die Händler, die ohne Schrägen an den Markttagen vom Arm weg die Ware verkaufen, die verderben die Preise. Auch sind wir wider die Billigkeit mit Steuern beschwert, und darüber ließe sich soviel sagen wie über den Auszug aus Ägypten. Das Schlimmste aber ist, daß man uns nicht vergönnt, unser Gewerbe in der Christenstadt zu treiben.«
Oho! Läuft's da hinaus? dachte der künftige Kaiser bei sich. Bleib du nur in deiner Judenstadt, sonst gäbe es Unruhe und Beschwernis, statt Ordnung und gutem Frieden. Und laut sagte er, um den Altkleiderhändler zu beschwichtigen, ein Sprüchlein her, das er des öfteren von einem seiner Diener oben auf der Burg gehört hatte:
    »In der Welt ist viel Pein,
ein jeder findet die sein'.
Du mußt dich getrösten zu jeder Frist, daß du gesund und bei Kräften bist.«
    »Gesund bin ich, — gelobt sei der Name«, sagte der Altkleiderhändler. »Zum Kranksein gehört Zeit, und die habe ich nicht. Aber das weiß ich, daß dieses Gewerbe mir zur Buße meiner Sünden auferlegt ist.«
    »Nein, nicht zur Buße Eurer Sünden, sondern weil Ihr, wie ich Ursach' hab' zu

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