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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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Ordnung und Gehorsam ewiglich, hier unten aber ist Unruhe, Streit und Wirrnis. — Wo bist du? Warum schweigst du? Woran denkst du?«
»Ich denke daran und kann es nicht verstehen, wie ich dereinst leben und glücklich sein konnte ohne dich. Ich denke daran, daß die Sterne ihren Gang gehen und sollten doch stille stehen, die Zeit sollt' stille stehen, wenn ich bei dir bin.«
»Sie steht nicht still und just, wenn einer glücklich ist, läuft sie wie ein gehetztes Tier, und Stunde um Stunde stürzt hinab ins Grenzenlose. Komm und küsse mich! Wo bist du?«
»An deinen Lippen bin ich, an deinem Herzen bin ich, ich bin bei dir.«
    Trunken von Traum und Glück löste sich die Blüte des Rosmarins von der roten Rose.
    »Ich muß fort«, flüsterte sie. »Leb wohl, ich kann nicht bleiben, ich muß fort.«
»Wohin? Wohin? Bleibe doch! Warum kannst du nicht bleiben?«
»Ich weiß es nicht. Laß mich, halt mich nicht, ich kann nicht bleiben, ich muß fort.«
»Bleib doch! Wo bist du? Ich seh' dich nicht. Wo bist du? Eben hielt ich dich noch, wo bist du? — Wo ist sie hin?«
»Wo ist sie hin?« rief der Kaiser und hob den Kopf und blickte um sich.
Der Leibkammerdiener Philipp Lang stand in der Schlafkammer.
»Ich hab' Eure Majestät stöhnen und rufen gehört, da trat ich ein«, meldete er. »Euer Majestät haben sicherlich einen schweren Traum gehabt, haben darum gestöhnt und gerufen, wäre vielleicht gut gewesen, Eure Majestät zu wecken, daß sich nicht hochdero male di testa wiederum einstellt. Draußen stehen etliche Leut', bitten um Gehör. Befehlen Euer Majestät das Frühstück?«
»Wo ist sie hin?« flüsterte der Kaiser.
    In ihrem Haus auf dem Dreibrunnenplatz erwachte die schöne Esther, die Frau des Mordechai Meisl. Das Licht der Morgensonne fiel in ihr Gesicht und gab ihrem Haar einen rötlichen Schimmer. Die Katze strich lautlos in der Stube umher und erwartete ihr Schüsselchen mit Milch. Ein Blumentöpfchen, das auf dem Fensterbrett gestanden war, lag zerbrochen auf dem Fußboden. In der Kammer nebenan ging der Mordechai Meisl auf und nieder und verrichtete singend sein Morgengebet.
    Sie richtete sich auf und strich sich die braunen Locken aus der Stirne.
»Geträumt!« flüsterte sie. »Und immer, Nacht für Nacht, der gleiche Traum! Ein schöner Traum, aber, gelobt sei der Schöpfer, doch nur ein Traum.«
    Der Stern des Wallenstein
    »... gar zart war ihm sein böhmisch Hirn, konnte nicht hören der Gläser Klirren. Hahn, Hund und Katz er arrestiert an allen Orten, wo er kampiert.
    Hat große Kriegsmacht zusammengebracht, dem Kaiser gewonnen manche Schlacht, tat auch viel Geld und Gut verschenken, und oftmals Leut unschuldig henken.
    Nun muß er gehen des Todes Straßen,

    Hund bellen und Hahn krähen lassen.« Aus einem Epitaph des Wallenstein
    Johannes Kepler, der große Mathematiker und Astronom, dessen Geist die sichtbare Welt umspannte, lebte um das Jahr 1606 unter den allerdiirftigsten und armseligsten Umständenin einem verfallenen Hause der Prager Altstadt, von dessen Fenstern sich ihm kein anderer Ausblick bot als der auf die Werkstätte eines Huf- und Nagelschmieds, auf eine Wirtsstube, in der betrunkene Soldaten lärmten, und auf einen Bretterzaun mit einem Tümpel dahinter, in dem die Frösche sangen. Man hatte ihm, als er nach Tycho de Brahes Tod das Amt eines kaiserlichen Hofastronomen übernahm, große Versprechungen gemacht und ihm fünfzehnhundert Gulden als jährliches Relutum ausgesetzt, aber die Versprechungen vergaß man und das Geld blieb man ihm schuldig, wie es eben am Prager Hof der Brauch war, und wenn er etliche Gulden als Abschlagsumme erhalten wollte, so mußte er tagelang in der böhmischen Hofkammer stehen und supplicieren, und oftmals wußte er nicht, womit er am nächsten Tag seine kranke Frau, seine drei Kinder und sich selbst ernähren sollte. Auch waren die Zeiten teuer, und mit dem Herbst war, wie es Kepler in seinem Kalender für das Jahr 1606 vorausgesagt hatte, eine frühe und strenge Kälte ins Land gekommen.
    So war denn Kepler an einem trüben und regnerischen Novembertag wiederum oben auf dem Hradschin im Hirschgraben gewesen und hatte sich dort bei einem der kaiserlichen Wildhüter sein Deputat an Brennholz abgeholt, — das war eine Arbeit, die er selbst verrichten mußte, denn er konnte sich keinen Knecht oder Bedienten halten. Seine Last war nicht schwer gewesen, das Brennholz reichte gerade aus, den Suppentopf auf dem Küchenherd zum Sieden zu bringen und

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