Nachts unter der steinernen Bruecke
Disciplin. Habt Ihr versucht, Eure Hypothesen mit den Lehren der Kirche in Übereinstimmung zu bringen?«
»Verhüte Gott, daß ich das jemals tue!« sagte Johannes Kepler. »An den Streitigkeiten der Theologen will ich nicht teilhaben. Was ich sage, schreibe und tue, das sage, schreibe und tue ich als ein der Mathematik Beflissener. Die Sache der Kirche aber lasse ich ungestört.«
Der Geheimsekretär des Kaisers schüttelte den Kopf.
»Eure Antwort betrübt mich, Domine Kepler, und mißfällt mir sehr«, erklärte er. »Ihr führt demütige Worte im Mund und dennoch klingt das, was Ihr sagt, hochfahrend und wenig christlich. Ja, mir will's scheinen, als wäre Eure Antwort bocksfüßig und gehörnt. Aber es ist nicht meine Sache, sie nach dieser Richtung hin zu prüfen. Mein allergnädigster Herr hat mich zu Euch gesandt, weil Ihr ihm mehrfach Anlaß gegeben habt, über Euch erzürnt zu sein. Ich habe gehört, was Ihr zu Eurer Entschuldigung vorzubringen hattet, nur das und weiter nichts. Wenn ich Seiner Majestät Bericht erstatte, werd' ich nicht vergessen, die mißlichen Umstände zu erwähnen, über die Ihr Klage führt. Und somit, Domine Kepler...«
Er hatte sich erhoben und seinen Hut ein wenig zurückgestoßen, — damit hatte er dem Kepler die Ehre erwiesen, die ihm gebührte. Und nun wollte er in steifer Haltung und mit einem Ausdruck der Unnahbarkeit in seinem Gesicht zur Türe hinaus wie einer, dem man eine Beleidigung zugefügt hat. Aber Johannes Kepler hielt ihn zurück.
»Ich bin«, sprach er zu ihm, »nach fünf Jahren noch immer ein Fremder in dieser Stadt, habe mit der Noblesse des Landes nur wenig Umgang, kenn' auch sonst nicht viel Leut' von Importanz. Ist Euch, Herr Secretarius, ein junger Edelmann und Offizier bekannt mit Namen... «
Er warf einen Blick auf ein beschriebenes Zettelchen, das mit einem Stein beschwert auf seinem Arbeitstisch lag.
»Mit Namen Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein«, sagte er sodann. »Ist Euch der bekannt?«
»Die Waldsteins«, begann der Hanniwald seine Erklärung, und je länger er sprach, desto mehr geriet er in Eifer, an die »bocksfüßige und gehörnte« Antwort Keplers dachte er nicht mehr, »die Waldsteins sind ein altes böhmisches Geschlecht, leiten sich von zwei Brüdern, Havel und Zavic, her, die im zwölften Saeculo lebten, nennen sich auch Valstein, Wallenstein oder Wartenberg. Ich kenne ihrer drei: den auf Krinic, Heinrich, der ist ein Utraquist. Den auf Slowic im Rakonitzer Kreis, Ernst Johann, der hat von Geburt her nur einen Arm. Und den Ernst Jakob auf Zlotic im Königgrätzer Kreis, den Beichshofrat, sie nennen ihn den Türken, weil er in seiner Jugend Gefangener des Deys in Algier war, — mußte dort Leinwand weben. Dann kannte ich noch einen, den Wilhelm, der saß auf dem Gute Hermanic auch im Königgrätzer Kreis, war mit einer Smirzikka verehelicht, sind beide verstorben. Aber einen Albrecht Wenzel und wie sagtet Ihr? Eusebius? Nein, den kenne ich nicht.«
Der Gedanke, daß es einen Herrn von altem böhmischen Adel gab, über den er nicht Bescheid wußte, ließ ihm keine Ruhe. Er setzte sich, stützte seinen Kopf mit der Hand und dachte nach.
»Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein«, wiederholte er sodann. »Jetzt fällt's mir ein. Ich muß den Namen schon einmal gehört, — nein, nicht gehört, sondern auf einem Aktenstück gelesen haben, und das kann nicht gar lang her sein. Vielleicht, daß er ein Bittgesuch an seine Majestät gerichtet hat, und es ist durch meine Hände gegangen. Offizier? Sagtet Ihr nicht, er sei ein Offizier? Hat er sich nicht kürzlich um ein Kommando bei den in Ungarn stehenden Truppen beworben? Oder um Wartegeld, solang man seiner Dienste nicht bedarf? Oder um sonst ein Recompens für im Kriege bewiesene gute Haltung und Conduite? Mir ist, als hätte ich etwas dergleichen gelesen. Ist sein Gesuch gebührend befürwortet gewesen, hat er sich einen Empfehlungsbrief vom Onkel Reichshofrat oder von sonst wem verschafft? Denn wenn nicht, dann schreibt der Philipp Lang >soll warten!< auf das Bittgesuch und legt's beiseite.«
»Von all dem weiß ich nichts«, erklärte Kepler. »Dieser junge Edelmann hat mir durch einen Boten ein Brieflein geschickt, in dem er mich bat, ad noticiam zu nehmen, daß sein Wunsch und seine Absicht sei, mir am heutigen Tag >In Sachen des Himmels« seine Aufwartung zu machen.«
»In Sachen des Himmels?« verwunderte sich der Hanniwald. »So gehört er also dem geistlichen Stande
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