Nachts, wenn der Feuerteufel kommt
goß er Benzin aus, tränkte das gut brennbare Material. In der
Mitte der Halle beschmierte er den Boden mit Klebstoff, drückte die Kerze
hinein. Ihre Länge war so berechnet, daß sie etwa 30 Minuten brennen würde.
Rings um die Kerze breitete er benzingetränkte
Lappen aus. Dann drückte er die Enden seiner Mullbinden in den Klebstoff dicht
bei der Kerze. Sternförmig — mit der Kerze als Mittelpunkt — ordnete er die
Mullbinden an. Mit dem jeweils freien Ende ging er in eine andere Ecke des
Raums. Dort klebte er die Enden fest: bei den Stellen, die er bereits mit
Benzin übergossen hatte.
Die Mullbinden würden wie
Zündschnüre funktionieren. Beobachtet hatte er den Ablauf seiner Brandstiftung
noch nie. Gehörte es doch zu seinen Grundsätzen, daß er sich weit entfernt vom
Brandherd befand, sobald das Feuer ausbrach.
Aber er wußte genau, wie es
ging: Die Kerze brannte herab. Bevor ihre Flamme verlosch, entzündete sie die
Lappen. Deren Feuer griff auf die Mullbinden über. An ihnen, genährt durch das
Benzin, rasten die Flammen entlang. Dann würde der Brand an sechs Stellen in
der Halle nahezu gleichzeitig auflodern. Augenblicke später stand alles in
Flammen — und die Feuerwehr würde wie meistens zu spät kommen.
Zufrieden begutachtete er seine
Vorkehrung. Mit dem restlichen Benzin füllte er die Pappbecher. Er stellte sie
dort auf, wo das in der Halle gelagerte Material ihm nicht so gut brennbar
erschien.
Er verstaute Klebstoff und
Kanister in der Tasche, trat zu der Kerze, riß ein Streichholz an und
entzündete den Docht. Die Flamme flackerte. Er beobachtete sie, bis er sicher
war, daß sie nicht erlöschen werde.
Er ging zur Tür, knipste das
Licht aus. Nur die Kerze brannte. Vorsichtig zog er die Tür auf. Dabei
beobachtete er die Kerze. Nein, sie wurde von keiner Zugluft getroffen.
Er schlüpfte ins Freie, schloß
mit seinem Dietrich ab und ging einige Schritte. Dann blieb er wie angewurzelt
stehen.
Übler Schweißgeruch drang ihm
in die Nase. So roch nur ein Dreckfink. Der Geruch kam aus einer Ecke zwischen
zwei Blechcontainern.
„Heh!“ Er gab seiner Stimme
einen schneidenden Klang. „Wer ist da?“
In der Dunkelheit regte sich
nichts.
„Soll ich dich rausholen?“
„Nee!“ heiserte eine Stimme.
„Komme ja schon.“
Eine Gestalt tappte hervor. Der
Feuerteufel sah nicht viel in der Dunkelheit. Aber der umrißartige Eindruck
genügte: Es war eine wandelnde Vogelscheuche in einem zerlumpten Mantel.
Borstiges Haar stand nach allen Seiten vom Kopf ab. Er schien alt zu sein, der
Stadtstreicher, und betrunken ohnehin. Der Feuerteufel roch jetzt den Fusel (schlechter
Branntwein).
„Was suchst du hier?“ schnauzte
er den Penner an. „Nichts. Nur... nur ein Loch zum Übernachten.“
„Name?“
„Knallauge.“
„Was?“
„’tschuldigung! Knallauge — so
heiße ich nur bei den Wolkenschiebern. Sonst nicht. Nee! Sonst heiße ich
Mataschke. Rudolf Mataschke.“
Der Feuerteufel überlegte.
Drohte Gefahr von dem Penner? Würde er der Polizei als Zeuge nützlich sein?
Wohl kaum. In der Finsternis war kein Gesicht zu erkennen. Außerdem kannte man
ja dieses betrunkene Gesindel. Einer wie Knallauge hatte morgen alles
vergessen.
Dennoch entschloß sich der
Feuerteufel zu einer Drohung. Mit Worten aus der Gaunersprache, die der andere
sicherlich verstand.
„Du wirst jetzt sofort
abbürsten ( abhauen ), Knallauge! Und wenn du mich verseifelst (verrätst), werde ich dich brezeln (dreschen), daß du abflatterst (stirbst). Kapiert?“
Der Penner zog sich einen
Schritt zurück. Er schüttelte den zottigen Kopf und versicherte: „Ich
verseifele keinen. Ich nicht!“
Er wandte sich um. Mit
schlurfenden Schritten verschwand er zwischen den Lagerhäusern. Er kannte sich
aus hier, kannte Wege und Durchlässe, von denen nicht mal die Wachmänner von
der Nachtpatrouille was wußten. Ohne eine Mauer übersteigen zu müssen, gelangte
Mataschke, genannt Knallauge, zu der geöffneten Einfahrt, wo immer noch der
Wagen des Feuerteufels stand.
In Mataschkes Gehirn schwappte
ein einziger Gedanke hin und her: Wo penne ich heute nacht?
Hier jedenfalls nicht. Das war
klar. Denn nochmals wollte er mit dem gefährlichen Kerl nicht zusammenstoßen.
Er schlurfte an dem Wagen
vorbei. Mißtrauisch sah er hinein. Seltsam! Der Wagen hier, so versteckt, ohne
Licht. Und der Mann mit der Schirmmütze. Und seiner Tasche. Ein Wachmann war
das wohl nicht gewesen.
Dumpf ahnte Mataschke, daß hier
etwas
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