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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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muß in einer anderen Stadt wieder von vorn anfangen.
    Drei Wochen war er in Untersuchungshaft. Dann war er fertig. Fertig mit allem. Und er redete.
    Er hatte ein Alibi. Er konnte nur keinen Gebrauch davon machen. Ein Kavalier schweigt und genießt. Und büßt. Horst Hagedorn büßte redlich. Er büßte das Rendezvous mit der Frau seines Oberspielleiters, das ein böser Zufall in die Nähe des Tatorts verlegt hatte. Das Rendezvous verschaffte ihm das Alibi, aber es kostete ihn die Karriere.
    Nichts Neues auch beim Reichskriminalpolizeiamt. Eine Unmenge ungeklärter Fälle zwar, aber alle wohl auf örtlicher Ebene. Sie miteinander in Verbindung zu bringen, davor schrecken die Beamten in der Dierksenstraße zurück. Bewußt oder unbewußt.
    Der Machtantritt Hitlers im Jahre 33 hat die Schlagkraft der Kriminalpolizei zugleich verstärkt wie geschwächt. Ihre Zentrale, das Reichskriminalpolizeiamt – das 1939 in das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) eingebracht werden wird – ist in Berlin und unterhält in allen Großstädten mit erfahrenen Beamten besetzte Kripo-Leitstellen. Wenn irgendwo auf dem Land ein Kapitalverbrechen verübt wird, braucht sich mit seiner Aufklärung nicht die Dorfgendarmerie herumzuplagen, sondern reisen unverzüglich Experten an den Tatort.
    Bei der Fahndung sind Polizei, Staatsanwälte und Richter im Dritten Reich weniger an die Strafprozeßordnung gebunden, als an das ›gesunde Volksempfinden‹, das Tag für Tag vom Propagandaministerium produziert wird, zwölf Jahre lang. Die Justiz hat nicht mehr dem Recht, sondern dem NS-Staat zu dienen. Damit sich die Beamten alter Schule möglichst an die neuen Leitlinien halten, werden ihnen SS-Ränge verpaßt, während gleichzeitig Dilettanten aus Himmlers Garde in die Kommandostellen der Polizei einziehen und dafür sorgen, daß mit häufig schmutzigen Methoden die Kriminalstatistik ›bereinigt‹ wird.
    Wirksam sind die Folterkeller gegen Schuldige wie gegen Unschuldige immer, und so tönt bald die Legende von der Sauberkeit des Ordnungsstaates. Verbrechen gab es in der Weimarer Systemzeit, gibt es im dekadenten Westen und im bolschewistischen Osten – nicht in Großdeutschland. Der Führer hat die Kriminalität beseitigt. Und damit niemand an Zucht und Sicherheit zweifelt, werden Fahndungswünsche der Polizei aus der gelenkten und zensierten Presse weitgehend verbannt, kleingehalten oder höchstens auf örtlicher Ebene abgehandelt. Und weil nichts in der Zeitung steht, kann die Bevölkerung bei der Fahndung nicht mithelfen, wird ein Unhold weitermorden und sitzen Unschuldige, der Tat verdächtigt, in den Zellen, verlieren Freiheit, Reputation und womöglich auch das Leben.
    Der vagabundierende Täter ist der Polizei längst bekannt: Sie weiß nur nicht, daß er der Mörder ist, da die Öffentlichkeit nicht durch Fahndungs-Aufrufe desillusioniert werden darf.
    An diesem strahlendblauen Junitag trägt man leichte Sommerfähnchen und legt gute Laune an den Tag. In der Stadt pulsiert das Leben. Lauter lachende Gesichter heute. Alltag in dem Berliner Vorort Köpenick, den einst ein Flickschuster mit Hilfe einer Hauptmannsuniform unsterblich machte.
    Mitten durch die Hauptstraße kriecht ein Pferdefuhrwerk. Ein untersetzter, kräftiger Mann mit breitem, derbem Gesicht sitzt auf dem Bock. Die meisten Leute, denen er begegnet, kennen ihn. Es ist der doofe Bruno. Ein gutmütiger, geistig minderbemittelter Bursche, der ungeniert seine derben Späße zum Gaudium seiner Mitbürger reißt.
    Wie jetzt zum Beispiel: Eine elegante Dame begegnet ihm. Der doofe Bruno lacht sie mit seinem Idiotengrinsen an.
    »Na, Kleene«, schreit er, so laut er kann, »wie war' det mit uns beeden?«
    Die Dame ist rot geworden und beschleunigt ihre Schritte.
    »Mit der is' nischt zu mach'n«, ruft der Mann auf dem Kutscherbock, »die is' doof. Und dabei weeß se janich, wat se vasäumt.«
    Die Passanten bleiben stehen und lachen. Wer wird dem armen Teufel seine derben Späße verübeln. Spaß muß man verstehen können. Weiß doch jeder, was mit ihm los ist: daß es oben nicht ganz stimmt bei ihm. Aber sonst ist er nett und bescheiden, fährt die Wäsche pünktlich aus und holt sie pünktlich wieder ab, bedankt sich für Trinkgelder und kauft sich sofort Zigaretten dafür. Seine Eltern und Geschwister sind anständige Leute. Mit ihm wird's vielleicht auch einmal besser werden. Manchmal ist er ganz vernünftig.
    Ab und zu macht er auch krumme Sachen, der Bruno. Aber das

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