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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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vielen Variationen aus.
    Die Sache mit dem Kunstdünger zum Beispiel. Er ist knapp und wird rationiert. Aber die Landwirte erhalten keine Bezugsscheine, sondern der Ortsbauernführer verteilt die Vorräte. Für Fritz Bauer gibt es keinen Kunstdünger. Er ist ein Mörder. Freilich, seine Felder können nichts dafür, aber wenn die Ware knapp ist, werden eben die Anständigen bevorzugt.
    Die Kinder wachsen heran. Sie hängen abgöttisch an ihrem Vater. Alle drei. Ein paar Mal versuchen sie, ihn zu verteidigen, obwohl er ihnen verboten hat, über die Sache zu reden. Es gibt einige vernünftige Dorfbewohner, die zur Mäßigung, zum Mitleid mahnen. Der Lehrer zum Beispiel, dann der Pfarrer. Trotzdem fordert man von dem Geistlichen, daß Elvira Bauer bei der Konfirmation allein in der Reihe sitzen soll. Der Pfarrer lehnt ab. Fritz Bauer bedankt sich überschwänglich. Er geht ganz selten zur Kirche. Auch in der Kirche sind Menschen, und wo Menschen sind, deutet man mit dem Zeigefinger auf ihn. Christus kam nicht bis Reetz bei Arnswalde.
    Noch immer ist die Wirtsstube verwaist. Ab und zu kommen zwar ein paar Leute zu Fritz Bauer, aber nur, weil Zigaretten und Schnaps knapp sind. Der Wirt weiß das genau. Aber er ist selbst für diese Besuche noch dankbar und opfert oft die eigene Ration. Noch immer steht er unter Polizeiaufsicht. Seine Anträge, sie aufzuheben, werden alle abgelehnt. In jedem Bescheid bestätigen ihm die Behörden schwarz auf weiß, daß er für sie immer noch der Täter ist.
    Niemals verlässt die Familie die Furcht, der Vater könnte wieder in das Gefängnis gesteckt werden. Die Angehörigen der Ermordeten opponieren jahrelang dagegen, daß der Gastwirt in Freiheit ist.
    Der Staat ist nicht zimperlich mit Verdächtigen. Als Ende des Jahres 1943 plötzlich vier unbekannte Kriminalbeamte die Gastwirtschaft betreten und Fritz Bauer auffordern mitzukommen, spielt sich eine erschütternde Szene ab:
    Elvira will auf einen der Beamten einschlagen. Die Mutter weint. Blass und verstört versucht Fritz Bauer sein Kind zurückzuhalten. Einer der Beamten sagt etwas, aber die beiden anderen Kinder überschreien ihn.
    »Wir lassen ihn nicht gehen!« schluchzt Erika immer wieder. »Wir wissen schon, was Sie wollen. Sie müssen uns alle mitnehmen.«
    Der Beamte, auf den sich Elvira Bauer gestürzt hat, ist Kriminalkommissar Franz, Chef der ›Sonderkommission Bruno Lüdke‹.
    »Beruhigen Sie sich«, sagt er zu Frau Bauer, »wir brauchen Ihren Mann nur ein, zwei Stunden. Er wird das Dorf gar nicht verlassen.«
    »Wenn Sie ihn aber nicht wiederbringen?«
    »Ich bringe ihn wieder. Verlassen Sie sich darauf.« Er lächelt. Aber es ist ihm keineswegs zum Lachen. Er erfasst in dieser Minute, durch welche Hölle Fritz Bauer gegangen sein muß.
    Der Wagen fährt zum Tatort. Fritz Bauer ist viel zu aufgeregt, um einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Hören Sie mir gut zu«, sagt Franz. »ich glaube, wir haben den richtigen Mörder gefunden. Ich bin überzeugt, daß Sie unschuldig sind. Wir werden Sie jetzt dem Mann gegenüberstellen.«
    Fritz Bauer schweigt.
    »Sie müssen sich zusammennehmen, Bauer. In ein, zwei Stunden haben Sie alles überstanden, und dann für immer. Dann wird jeder wissen, daß Sie unschuldig sind. Verstehen Sie mich?«
    Der Gastwirt nickt.
    »Aber woher haben Sie ihn plötzlich?«
    »Ich erkläre Ihnen alles später«, antwortet Franz.
    Der Wagen hält. Die letzten dreihundert Meter müssen zu Fuß zurückgelegt werden. Am Wassergraben steht eine Gruppe Menschen.
    »Lassen Sie die Leute nicht zu nahe heran!« befiehlt Franz einem uniformierten Polizeibeamten.
    Fritz Bauer stapft wie im Traum auf die Stelle zu, der er in den letzten dreizehn Jahren ängstlich aus dem Weg ging. Einige Dorfbewohner haben sie mit Blumen geschmückt.
    Bauer wird auf einen mittelgroßen, untersetzten Mann zugeführt. Auf zwei Meter Entfernung steht er ihm gegenüber.
    »Das ist der Mann, dem Sie alles zu verdanken haben«, sagt Franz zu ihm.
    Nie hat Fritz Bauer die Hoffnung aufgegeben, eines Tages dem richtigen Mörder gegenüberzustehen. Wenn er am verzweifeltsten war, hat er sich immer wieder ausgemalt, wie das sein würde, wenn er auf ihn zugehen, ihn in das Gesicht schlagen, ihm in die Ohren brüllen würde, was er alles mitmachen mußte.
    Es ist soweit.
    Er betrachtet ihn. Dieses brutale, verschlagene Gesicht, diese kleinen, tückischen Augen, dieses dumme, stupide Grinsen, diese völlige Gleichgültigkeit dem Verbrechen und

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