Nachtschicht
Inc.
Morrison wartete auf jemanden, der in einer Maschine über dem Kennedy-Flugplatz kreiste, als er am Ende der Bar ein bekanntes Gesicht entdeckte. Er ging hin.
»Jimmy? Jimmy McCann?«
Er war es. Ein bißchen dicker als letztes Jahr, als Morrison ihn auf der Ausstellung in Atlanta getroffen hatte, aber sonst sah er unverschämt gesund aus. Auf dem College war er ein magerer, blasser Kettenraucher gewesen, dessen Gesicht hinter einer großen Hornbrille verschwand. Er schien sich auf Kontaktlinsen umgestellt zu haben.
»Dick Morrison?«
»Ja. Mensch, siehst du gut aus.« Sie schüttelten sich die Hand.
»Du auch«, entgegnete McCann, doch Morrison wußte, daß er log. In der letzten Zeit hatte er zuviel gearbeitet, zuviel gegessen und zuviel geraucht. »Was trinkst du?«
»Einen Bourbon und einen Magenbitter«, antwortete Morrison. Er schwang sich auf einen Barhocker und zündete sich eine Zigarette an. »Holst du jemanden ab, Jimmy?«
»Nein. Ich fliege zu einer Konferenz nach Miami. Ein wichtiger Kunde. Bringt uns sechs Millionen ein. Ich soll ihm die Hand halten, weil uns die Konkurrenz bei einem großen Projekt, das nächstes Frühjahr anlaufen sollte, zuvorgekommen ist.«
»Bist du immer noch bei Crager und Barton?«
»Ich biri jetzt Vizepräsident.«
»Toll! Herzlichen Glückwunsch! Seit wann?« Er versuchte sich einzureden, daß der brennende Schmerz in seinem Magen nicht vom Neid herrührte, sondern lediglich ein Überschuß an Magensäure sei. Er zog ein Röhrchen Kautabletten aus der Tasche und steckte sich eine in den Mund.
»Seit letzten August. Etwas war geschehen, das mein Leben veränderte.« Er sah Morrison nachdenklich an und nippte an seinem Drink. »Vielleicht interessiert es dich.«
Mein Gott, dachte Morrison und prallte innerlich zurück.
Jimmy McCann ist fromm geworden.
»Na klar«, antwortete er und nahm einen großen Schluck von seinem Bourbon.
»Es ging mir nicht besonders«, erzählte McCann. »Ich hatte private Probleme mit Sharon, mein Vater war gestorben - Herzinfarkt -, und mich quälte ein hartnäckiger Husten. Eines Tages kam Bobby Crager in mein Büro und gab mir väterliche Ermahnungen. Kannst du dich an seine Predigten erinnern?«
»Und ob.« Bevor er in die Agentur Morton eintrat, hatte er anderthalb Jahre lang bei Crager und Barton gearbeitet. »Entweder du gibst Gas, oder du fliegst.«
McCann lachte. »Du weißt Bescheid. Tja, und um das Maß vollzumachen, sagte mir der Arzt, ich hätte ein Magengeschwür im Frühstadium. Er riet mir, das Rauchen aufzugeben.«
McCann verzog das Gesicht. »Ebensogut hätte er mir das Atmen verbieten können.«
Morrison nickte verstehend. Nichtraucher hatten gut reden.
Mit Abscheu betrachtete er seine Zigarette und drückte sie aus, obwohl er genau wußte, daß er fünf Minuten später die nächste, anzünden würde.
»Und hast du das Rauchen aufgegeben?« fragte er.
»Ja. Anfangs glaubte ich, ich schaffe es nie - ich betrog mich am laufenden Band. Dann unterhielt ich mich mit jemandem, der mir von einer Gesellschaft in der 46. Straße erzählte. Spezialisten. Ich dachte mir, was hast du schon zu verlieren, und ging hin. Seitdem habeich nicht mehr geraucht.«
Morrison riß die Augen auf. »Und was taten die mit dir? Pumpten sie dich mit Tabletten voll?«
»Nein.« Er hatte seine Brieftasche gezückt und stöberte darin herum. »Da ist sie ja. Ich wußte doch, daß ich noch eine hatte.«
Er legte eine einfache weiße Geschäftskarte auf den Tresen.
NONFUMO GES.
Gewöhnen Sie sich das Rauchen ab!
237 East 46. Straße
Sprechstunde nach Vereinbarung
»Du kannst sie behalten«, sagte McCann. »Die werden dir das Rauchen abgewöhnen. Garantiert.«
»Wie denn?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Wieso nicht?«
»In dem Vertrag, den man unterschreiben muß, verpflichtet man sich zu schweigen. Aber in einem Gespräch wirst du über die Behandlungsmethode natürlich aufgeklärt.«
»Du hast einen Vertrag unterschrieben?«
McCann nickte.
»Und auf diese Weise …«
»Jawohl.« Er lächelte Morrison an, der dachte, jetzt gehört er auch zu denen, die gut reden haben.
»Warum diese Heimlichtuerei, wenn die Gesellschaft so gute Leistungen vollbringt? Wie kommt es, daß ich noch nie irgendwelche Werbung gesehen habe, weder im Fernsehen, noch auf Reklameflächen, noch in Zeitschriften …«
»Sie bekommen alle ihre Kunden durch Mundpropaganda.«
»Du bist doch selbst in der Werbebranche tätig, Jimmy. Das
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