Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Personal ehemalige Artisten sind, die alles klauen, was ihnen in die Hände fällt.
    Eine andere Patientin erzählte ihr, einer Frau im neuen Trakt seien fünfhundert Dollar gestohlen worden, die sie in ihrem Schuh aufbewahrt hatte. Seine Mutter ist übrigens seit einiger Zeit in vieler Hinsicht komisch. Einmal hat sie ihm erzählt, daß sich spät nachts manchmal ein Mann unter ihrem Bett versteckt. Ein Teil davon ist auf die Drogenkombinationen zurückzuführen, die man ihr verabreicht. Sie lassen die Tabletten, die er während seiner College-Zeit manchmal schluckte, wie Exzedrin aussehen. In dem verschlossenen Medikamentenschrank hinter der Schwesternstation gibt es eine reichliche Auswahl.
    Aufputschmittel und Beruhigungstabletten, Schlafmittel und Weckamine. Vielleicht gibt es sogar den Tod, den gnädigen Tod, angenehm wie eine schwarze Wolldecke.
    Er bringt ihr die Handtasche ans Bett und öffnet sie.
    – Kannst du etwas herausnehmen?
    – Oh Johnny, ich weiß nicht recht …
    Er überredet sie:
    – Versuch es. Mir zuliebe.
    Die linke Hand hebt sich von der Steppdecke wie ein beschädigter Hubschrauber. Sie kreuzt, taucht in die Handtasche hinab und kommt mit einem zerknüllten Kleenex-Tuch wieder heraus. Er applaudiert:
    – Gut! Sehr gut!
    Aber sie wendet das Gesicht ab.
    – Im vergangenen Jahr konnte ich mit diesen Händen noch zwei volle Geschirrwagen ziehen.
    Wenn es überhaupt sein soll, dann jetzt. Es ist sehr heiß im Zimmer, aber auf seiner Stirn liegt kalter Schweiß. Er denkt: Wenn sie mich nicht um Aspirin bittet, werde ich es nicht tun.
    Nicht heute abend. Dabei weiß er: Wenn es nicht heute abend geschieht, wird es nie geschehen. Okay.
    Sie schaut verstohlen zur halb geöffneten Schranktür hinüber.
    – Kannst du mir heimlich ein paar Tabletten holen, Johnny?
    So fragt sie immer. Über ihre normale Medikation hinaus darf sie keine Tabletten nehmen. Sie hat zuviel Gewicht verloren, und ihr Immunsystem ist so geschwächt, daß eine Tablette zuviel eine tödliche Dosis bedeuten könnte. Eine Tablette mehr, und man ist tot. So soll es Marilyn Monroe ergangen sein.
    – Ich habe ein paar Tabletten von zu Hause mitgebracht.
    – So?
    – Sie sind gut gegen Schmerzen.
    Er reicht ihr die Schachtel. Sie kann Buchstaben nur ganz aus der Nähe erkennen. Sie runzelt die Stirn, als sie die große Schrift liest, und sagt dann:
    – das Darvon-Zeug habe ich früher genommen. Es hat mir nicht geholfen.
    – Dieses hier ist stärker. .
    Sie nimmt die Augen von der Schachtel hoch und sagt:
    – Tatsächlich?
    Er kann nur albern lächeln. Er bringt kein Wort heraus. Es ist, wie es bei seiner ersten Nummer war. Es passierte auf dem Rücksitz im Wagen seines Freundes. Zu Hause fragte ihn seine Mutter, ob er sich amüsiert habe. Und er konnte nur genauso albern lächeln wie heute.
    – Kann ich sie kauen?
    – Ich weiß nicht. Du könntest eine probieren.
    – Gut. Sie dürfen es aber nicht sehen.
    Er öffnet die Schachtel und löst den Plastikverschluß von der Flasche. Er zieht den Wattepfropfen aus dem Flaschenhals.
    Schaffte sie es mit ihrer funktionsunfähigen linken Hand? Würden sie es glauben? Er weiß es nicht. Vielleicht nicht. Vielleicht ist es ihnen sogar gleichgültig.
    Er schüttet sich sechs Tabletten in die Hand. Es sind, viel zu viele. Er sieht, wie sie ihn beobachtet. Wenn sie etwas sagt, wird er die Tabletten in die Flasche zurückschütten und ihr eine einzige Arthritis-Schmerzformel geben.
    Eine Schwester schwebt draußen vorbei, und er verbirgt die grauen Kapseln in der Hand, aber die Schwester schaut nicht herein, um zu sehen, wie es der »Cortotomie-Frau« geht.
    Seine Mutter sagt nichts. Sie betrachtet nur die Tabletten, als seien es ganz gewöhnliche Tabletten (wenn es so etwas überhaupt gibt). Aber sie war nie für lange Zeremonien. Sie würde an ihrem eigenen Boot keine Flasche Champagner zerschlagen.
    – Es geht los, sagt er mit völlig normaler Stimme und wirft ihr die erste in den Mund.
    Sie lutscht nachdenklich daran, bis sich die Gelatine auflöst.
    Sie zuckt zusammen.
    – Schmecken sie nicht? Ich werde …
    – Es geht.
    Er gibt ihr noch eine. Und noch eine. Sie kaut sie auf die gleiche nachdenkliche Art. Er gibt ihr eine vierte. Sie lächelt ihn an, und er sieht voll Entsetzen, daß ihre Zunge gelb ist. Wenn er ihr jetzt in den Magen schlägt, spuckt sie die Dinger vielleicht wieder aus. Aber das kann er nicht. Er könnte niemals seine Mutter schlagen.
    – Würdest du

Weitere Kostenlose Bücher