Nachtschicht
Sache, in der all diese Werke übereinstimmen, ist: wer immer Kunst praktiziert und es ernst damit meint, wird mit seiner Kunst auch fortfahren, selbst wenn er für seine Anstrengungen von niemandem einen Pfennig bekommt, selbst wenn seine Anstrengungen kritisiert oder abgelehnt werden, ja selbst wenn man ihm seine Kunst bei Todesstrafe verbieten würde. Für mich scheint dies eine recht passende Beschreibung von etwas zu sein, das man obsessives Verhalten nennt. Es gilt genauso für die schlichteren Hobbies. Waffensammler in den Staaten haben Autoaufkleber mit der Aufschrift: Meine Pistole bekommt nur, wer sie mir aus den toten Fingern windet! Falls morgen das Münzensammeln verboten wird, würde unser Astronom mit Sicherheit seine Sammlung nicht abliefern, sondern sie, in Plastik gewickelt, im Wassertank der Toilette versenken, um nach Mitternacht heimlich seine Kupferpfennige auf dem Klo zu genießen.
Wir scheinen uns von unserem Thema Angst entfernt zu haben, aber wir sind nicht weit vom Weg abgekommen. Das Zeug, das sich in meinem Filter ansammelt, ist oft der Stoff, aus dem unsere Ängste gemacht sind. Meine Obsession gilt dem Makabren. Keine der folgenden Geschichten habe ich wegen des Geldes geschrieben, auch wenn ein paar davon vorher an Zeitschriften verkauft wurden, auch wenn ich nie einen Scheck zurückgeschickt habe. Ich mag eine Obsession haben, aber verrückt bin ich nicht. Doch ich wiederhole: keine Geschichte wurde wegen des Honorars geschrieben. Ich schrieb sie alle, weil mir danach war, solche Geschichten zu schreiben. Meine Obsession läßt sich vermarkten. Es gibt Verrückte in den Gummizellen überall auf der Welt, die solches Glück nicht haben.
Ich bin kein großer Künstler, aber ich habe immer einen Drang zum Schreiben gespürt. Also schütte ich jeden Tag meinen Filter aus, sehe mir die Erinnerungsfetzen und Beobachtungsstücke an und versuche, etwas aus dem Zeug zu machen, was nicht direkt durch den Filter hindurch in mein Unterbewußtsein sinken kann.
Louis L’Amour, der Westernautor, und ich könnten zusammen am Rand eines kleinen Teiches in Colorado stehen, und wir könnten beide gleichzeitig die Idee zu einer Geschichte haben.
Seine Story würde vom Krieg um Wasserrechte in der Trocken-zeit handeln, meine wahrscheinlich von einem furchtbaren, lauernden Etwas, das aus dem stillen Wasser kriecht, um Schafe fortzuschleppen … und Pferde … und schließlich Menschen.
Louis L’Amours Obsession ist die Zeit des »Wilden« Westens.
Ich tendiere mehr zu den Dingen, die in mondlosen Nächten herumkriechen. Er schreibt Western, ich schreibe Gruselgeschichten. Beide haben wir nicht alle Tassen im Schrank.
Die Künste sind Leidenschaften, und Leidenschaften sind gefährlich. Sie sind wie ein Messer im Kopf. In einigen Fällen -
Dylan Thomas fällt mir ein, oder Hart Crane und Sylvia Plath - kann das Messer den treffen, der es selbst führt. Kunst ist eine lokalisierte Krankheit, gewöhnlich gutartig - kreative Menschen werden oft sehr alt-, manchmal aber auch bösartig. Man benutzt das Messer vorsichtig, denn man weiß, es ist ihm gleich, wen es schneidet. Und wenn man klug ist, leert man auch seinen Filter im. Kopf vorsichtig aus … denn von dem Zeug darin könnte einiges noch nicht ganz tot sein.
Die andere Frage, mit der ich bei Lesungen oder Signierstunden häufig konfrontiert werde, lautet: Warum lesen Leute so was?
Warum verkaufen sich Ihre Geschichten?
Diese Frage impliziert eine unausgesprochene Vermutung - die Vermutung, daß die Lektüre einer Story der Angst und des Horrors irgendwie von einem ungesunden Geschmack zeugt.
In Briefen von Lesern stoße ich oft auf Sätze wie: »Vielleicht bin ich ein wenig morbid, aber ich habe ›Shining‹ von der ersten bis zur letzten Seite genossen …«
Ich glaube, der Schlüssel zu dieser Einstellung läßt sich in einem Satz finden, den ich in einer Filmkritik in »Newsweek« zu einem nicht besonders guten Horror-Film fand. Er lautete ungefähr: » … ein wunderschöner Film für Leute, die Spaß daran finden, wenn sie einen Autounfall bemerken, langsam daran vorbeizufahren und ihn sich genau anzusehen;« Das ist eine gute, treffende Bemerkung, aber wenn man genauer dar-
über nachdenkt, trifft sie auf alle Horror-Filme und -Geschichten zu. George Romeros »Die Nacht der lebenden Toten« mit seinen grausamen Szenen von Kannibalismus und Muttermord war sicher ebenso ein Film für Leute, die sich gerne die Autounfälle genau
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