Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
und ihn wegen Nötigung anzeigen.
Sie war jedoch eher erleichtert, dass sie ihre Unschuld los war. Deshalb war sie schließlich hergekommen. Sie wollte doch bloß, dass er so war, wie sie ihn kannte - ihr Idealmann, ihr Traumtyp. Und ein Mensch wie sie.
Sie musterte ihn verstohlen.
Er hockte auf den Fersen; seine Hände lässig auf die Knie gestützt, betrachtete er sie belustigt. »Wär besser gewesen, wenn ich dir das Hemd zugemacht hätte.«
»Wieso?«
»Weil du dich verknöpft hast.«
Vor Entrüstung verschlug es ihr die Sprache.
»Du siehst schon viel besser aus.«
»Ich … ich …«, stammelte sie.
»Tut es noch weh?«
»Es geht. Jedenfalls hab ich nicht mehr diese panische Angst.«
War sie noch ganz dicht? Dass sie etwas akzeptierte, was unmöglich war? Völlig irreal?
»Ist schon in Ordnung. Wenn wir uns das nächste Mal lieben,
werde ich dir nicht mehr wehtun. Versprochen.« Seine goldgesprenkelten Augen nahmen einen warmen Glanz an. »Ich werde dich zu einer sehr glücklichen Frau machen.«
»Das ist es nicht. Ich meine …« Er wusste sehr genau, was sie meinte. Er hatte bloß keine Lust, das Thema zu vertiefen.
Sie schaute sich im Wald um. Wassertropfen perlten von den nassen Zweigen, Tiere huschten durch das raschelnde Unterholz. Sie erinnerte sich an das Heulen der Wolfsmeute und begriff, dass seine Argumente für sich sprachen.
Er schlug ihr behutsam den Hemdkragen um. »Ich bin immer nackt, wenn ich mich verwandle, deshalb diese Vorsichtsmaßnahme. Stell dir bloß mal vor, in so einem Moment taucht zufällig der FedEx-Bote auf und will eine Unterschrift von mir! Der hält mich doch für komplett durchgeknallt, wenn ich nackt durch die Gegend spaziere.«
Jasha redete so beiläufig darüber, als wäre es ein ganz alltägliches Phänomen. Und er senkte seinen Blick beschwörend in ihren, dass sie ihn so akzeptierte, wie er war, und nicht weiter nachbohrte.
Sie streifte die viel zu langen Ärmel zurück, die ihr über die Hände baumelten, und begann, die Manschetten hochzukrempeln. Hielt den Blick auf den Stoff gerichtet, um ihn nicht anschauen zu müssen.
»Keine Frage, wir sind hier in Washington. Da gibt es jede Menge Nudisten. Der FedEx-Typ würde mir wahrscheinlich bloß einen Vortrag über die Gefahren eines Sonnenbrands halten.« Jasha griff nach dem Ärmel, rollte ihn wieder herunter und faltete die Manschette ordentlich neu.
»Lass das. Das kann ich schon noch selbst«, fauchte sie ihn an. Mist, um sich von ihm abzulenken, wollte sie sich irgendwie beschäftigen.
Er schob ihre Hände beiseite. »Ich tippe darauf, du hattest nie jemanden, der dir bei irgendwas geholfen hat.«
»Wie kommst du jetzt darauf?«, fragte sie abweisend.
»Als du klein warst, hat dir da jemand beim Anziehen geholfen?«
»Nein. Wieso?« Sie stutzte.
»Weil du bei allem, was du machst, erschreckend zupackend und tüchtig bist. Weißt du, ich frage mich öfters … warst du jemals Kind?«
Sie schwankte zwischen Betroffenheit - weil sie seine Äu ßerung als Kritik auffasste - und Verblüffung, weil sie nicht im Traum gedacht hätte, dass er im Büro überhaupt Notiz von ihr nahm. »Meine Tüchtigkeit ist der Grund, weshalb ich deine persönliche Assistentin bin.«
»Einer der Gründe.« Er hatte die Manschetten ordentlich hochgerollt und zupfte den Hemdkragen zurecht. »Also, um auf meine Frage zurückzukommen: Durftest du je Kind sein?«
»Oh, ich hab echt gedacht, die Frage wäre rein rhetorisch gemeint.«
»Falsch gedacht. Ich find’s bloß merkwürdig, dass du sie nicht beantworten magst. Wer hat dir eigentlich beigebracht, so zurückhaltend zu sein, Ann Smith?«
Bereute er, was er getan hatte? Versuchte er, locker mit ihr zu plaudern, ihr Komplimente zu machen, bevor er ihr klipp und klar erklärte, dass die ganze Episode eine große Dummheit gewesen war? »Die Nonnen.«
»Du warst in einer katholischen Schule?«
»Ja.« Das stimmte - zumindest teilweise.
»Hm.« Skepsis zeigte sich in seinem Blick.
Sie schauderte, weil sie diesen Blick zur Genüge kannte. So musterte er Mitarbeiter oder Unternehmensgegner, von denen er genau wusste , dass sie ihm Informationen vorenthielten. Bisher war sie jedes Mal schwer beeindruckt gewesen, weil ihr Chef ein fantastischer Menschenkenner war.
Nun … bisher.
Inzwischen schwante ihr, dass er geradezu übersinnliche Fähigkeiten besitzen musste.
»Komm, ich schau mir mal deine Füße an.« Er inspizierte sie nacheinander und schnalzte milde
Weitere Kostenlose Bücher