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Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)

Titel: Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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berühren.«
    »Na, hör mal! Willst du mich veralbern?« Ann hob mit spitzen Fingern die Ikone aus dem Matsch und wischte sie mit einem Hemdzipfel sauber. Der gezackte Rand verfing sich in dem Stoff. »Es ist doch bloß ein Bild.«
    »In Russland sind Ikonen nicht bloß Bilder. Sie stehen für die russische Seele, das russische Herz und den orthodoxen Glauben. Traditionell wird dem jungen Paar bei der Hochzeit eine Ikone der Heiligen Jungfrau mit dem Jesuskind geschenkt. Und die Familienikonen werden für gewöhnlich in der krasni ugol , der schönen Ecke, mit Kerzen und roten Spitzendeckchen dekoriert.« Er wischte sich die schmutzigen Hände an seiner Jeans, sein Blick klebte auf dem Antlitz der Madonna. »Im Übrigen werden Ikonen der Madonna nicht gemalt - sie erscheinen.«
    »Wie bitte?«
    »Ikonenmaler signieren ihre Werke nicht. Folglich heißt es, dass Ikonen Erscheinungen, Wunder sind.«
    Ann betrachtete das Kultbild genauer. Zwischen ihre schön geschwungenen Brauen schob sich eine steile Falte. Woran mochte Jasha sich wohl verletzt haben?
    Die Jungfrau blickte zurück, ernst und entrückt.
    »Die Madonna will nicht, dass ich sie berühre«, fuhr Jasha fort. »Aber du darfst es. Dir vertraut sie.«
    »Das ist doch …« Ann japste nach Luft.
    »Das ist was? Aberglaube? Ein Ding der Unmöglichkeit?
« Jasha betastete seine Wange. »Trotzdem hab ich mich verbrannt. Und das ist kein Wunder, es tut nämlich höllisch weh.«
    Unwillkürlich berührte sie das Mal auf ihrem Rücken. Bildete sie sich das bloß ein? Sie spürte es kaum, so als wäre da gar nichts. Aber nein, Irrtum, es war da.
    Sie hätte damit rechnen müssen, dass ihr Leben irgendwann eine dramatische Wendung nehmen würde, sagte sie sich. Nach so vielen Jahren Normalität hatte Ann jedoch gedacht - geglaubt, gehofft -, dass alles so normal weiterlaufen würde wie bisher. Schließlich wusste außer Schwester Mary Magdalene niemand, wo Baby Ann gefunden worden war und dass dies eine Fülle von Problemen mit sich gebracht hatte. »Schätze, ich muss meine Meinung ändern, von wegen möglich oder unmöglich«, murmelte sie.
    Er lachte bitter und blickte sich um. Der Sturm hatte sich gelegt; der Donner verstummte allmählich, die Wolkendecke löste sich auf. »Das Unwetter ist zwar vorbei, trotzdem ist es hier draußen ungemütlich. Komm, lass uns verschwinden.« Er schlang seine Arme abermals um Ann, hob sie hoch und stapfte los.
    Er legte ein ordentliches Tempo vor, und Ann war klar, in welcher Gemütsverfassung er sich befand, das hatte sie nach der langen Zusammenarbeit raus: Er war besorgt. »Jasha, wovor hast du Angst?«
    »Dass ich versagen werde.«
    Was meinte er bloß damit?, überlegte Ann unbehaglich. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume, malten lange, breite Schatten auf den Waldboden. Sie vernahm das unablässige Rascheln im Dickicht. Wilde Tiere - und Schlimmeres. Nicht auszudenken: Womöglich waren es Geschöpfe wie er.
    Die Wölfe.

    Jasha und Ann erreichten das Schloss in Rekordzeit. Wenn sie sich nicht verirrt hätte, dachte sie im Nachhinein, wäre sie vorhin in null Komma nichts wieder zum Haus zurückgelangt. Und hätte vor verschlossenen Türen gestanden, denn er trug sie zum hinteren Eingang. Dort, wo die Garage im rechten Winkel ans Haus angebaut war, mit vier breiten Schwingtüren, hinter denen bestimmt Jashas teure Luxuskarossen parkten.
    Das erinnerte sie an - »Mein armes Auto«, stöhnte sie.
    »Ich ruf jemanden an, der es morgen von dort abschleppt.«
    »Wenn es dann noch da ist«, versetzte sie dumpf.
    »Ja. War ein verdammt heftiges Unwetter. Im wahrsten Sinne des Wortes.« Jasha schnaubte belustigt, ein kurzes bitteres Lachen. Es signalisierte Ann, dass er etwas wusste, was er ihr nicht verriet.
    Er setzte sie auf der hinteren Verandatreppe ab und stützte sie, bis sie die Balance wiedergefunden hatte. »Alles okay mit dir?«
    Ja, bis auf ihre brennenden Füße. Und sie war mächtig erschöpft von der ganzen Rennerei. Sie hatte jedoch die Ikone, und sie lebte. Sie hatte sich noch nie besser gefühlt. »Mir geht es blendend.«
    Er tastete mit den Fingern den Türsturz ab, bis er den Schlüssel fand, und schloss auf. Er drückte ihr sanft eine Handfläche ins Kreuz und schob sie ins Innere, als wenn sie ihm sonst jeden Moment türmen könnte.
    Und damit lag er vermutlich gar nicht so falsch. Inzwischen grauste ihr vor dem Haus, in dem er sich vor ihren Augen in einen Wolf verwandelt hatte. Sie sah die

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