Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
implizieren Besitz, Eigentum, Nutzungsrecht und all das. Wir besitzen uns nicht gegenseitig, nicht einmal, wenn wir eine Bindung miteinander eingehen. Auch unsere Kinder sind nicht unser Eigentum, wenn wir das Glück haben, überhaupt welche zu bekommen. In unserer Welt ist es so: Wenn du das, was dir gehört, nicht verteidigen kannst, dann nimmt es dir ein anderer weg.« Er zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: »C’est la vie.«
Ich runzelte die Stirn, aufs Neue erstaunt von den Widersprüchen seiner Welt. Einerseits gab es Aspekte in dieser Gesellschaftsordnung, die ich langsam zu schätzen anfing. Ich bewunderte beispielsweise diese Offenheit und das völlige Abhandensein von Befangenheit oder ängstlicher Selbstsucht. Aber andererseits war da diese unterschwellige Brutalität, bei der ich allein beim Gedanken daran erschauderte.
»Als wäre das unter Menschen anders. Wir sind böse, grausam, grob und hinterlistig«, dachte ich dann.
»Aber wir bemühen uns wenigstens«, widersprach ich mir selbst.
»Wer bemüht sich?«, fragte ich mich. »Du bemühst dich, dein Vater bemüht sich und vielleicht noch all die Durchschnittsmenschen. Und was ist der Dank für ihre Versuche, gute Menschen zu sein? Die Durchschnittsmenschen werden von Fremden bestohlen, von ihren Onkeln missbraucht, von ihrer eigenen Regierung vernichtet. Hier, in der Welt der Übernatürlichen, macht man sich wenigstens nichts vor.«
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich überhaupt nicht gemerkt hatte, dass Ryu mir jemanden vorgestellt hatte, bis er mich verstohlen mit dem Ellenbogen in die Rippen stieß. Ich sah auf und erblickte dieses absolut bezaubernde Wesen vor mir. Es erinnerte mich an David Bowie in seinen Zeiten als Ziggy Stardust: schlank und androgyn und ziemlich sexy. Er hatte eine hoch aufgetürmte, feuerrote Frisur und trug ein Flammenkostüm. Seine schmalen Katzenaugen waren rotbraun, und er war unheimlich schön. Ich streckte die Hand nach ihm aus, noch ehe ich darüber nachdenken konnte. Ryu packte mich mit einem Zischen am Handgelenk, und aus seinem Gesicht sprach echte Angst. Das Wesen war zurückgewichen und befand sich nun außerhalb meiner Reichweite. Ich blinzelte irritiert. »Ach ja«, fiel es mir da wieder ein, »ich soll ja niemanden anfassen.« Und dann wurde mir auch klar, warum.
Die Haare, die so feuerrot waren, und sein feuriges Gewand waren echt - das Wesen war in eine Art Flammenmeer gehüllt.
»Chester ist ein Ifrit, Liebling.« Ryus Stimme klang ganz
ruhig, trotz des Schreckens, den ich ihm gerade eingejagt hatte. »Ein Feuerwesen, also: Händeschütteln verboten.«
Das Wesen verzog das Gesicht zu einem Lächeln: »Ja, leider«, sagte er und betrachtete mich interessiert von oben bis unten. Ich wurde verlegen und errötete.
»War schön, dich wiederzusehen, Chester«, sagte Ryu. »Ich hoffe, dein Aktiendepot erholt sich wieder...« Er unterbrach sich, und ich merkte, dass er versuchte, sich einen Kommentar zu verkneifen. Er schaffte es nicht. »Tut mir leid, dass du abgebrannt bist«, prustete er schließlich heraus und lachte sich halbtot. Der Ifrit und ich verdrehten beide die Augen, dann deutete der Feuerdschinn eine leichte Verbeugung an und ging.
»Ich weiß nicht, was schlimmer ist, dein Witz oder die Tatsache, dass diese erstaunliche Kreatur Chester heißt«, warf ich ein.
Ryu seufzte. »Ich kann mir nicht helfen. Ifrits sind einfach so leicht auf den Arm zu nehmen, und ich finde, mein Witz hatte durchaus … Feuer.« Er prustete wieder los, und ich schüttelte nur noch den Kopf.
»Also gut, tut mir leid.« Er küsste meine Handfläche. »Du solltest allerdings besser die Finger von ihm lassen. Ich mag meine Frau wie mein Steak - schön blutig. Also versuch bitte, dich dieses Wochenende nicht flambieren zu lassen.«
Während ich noch feierlich nickte, erblickte ich einen entzückenden dicken Mann. Sein Kopf war kahl rasiert, und seine Apfelbäckchen wölbten sich über einem buddhagleichen Lächeln. Sein Oberkörper war nackt, und er trug Pluderhosen und Schnabelschuhe. Meine Augen weiteten
sich vor Erstaunen, und ich zeigte auf ihn. Noch bevor ich etwas sagen konnte, seufzte Ryu.
»Ja, das ist ein Dschinn. Aber sie sind ganz anders, als du denkst.« Er bugsierte mich sanft weg von der Gruppe, die sich um den Dschinn scharte. Mir fiel auf, dass es nur Elben waren. »Wally erfüllt nämlich nur einen einzigen Wunsch, aber der hat durchaus etwas mit dem Rubbeln an seiner Wunderlampe
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