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Nacktbadestrand

Nacktbadestrand

Titel: Nacktbadestrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Vavrik
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    Ich stellte mir vor, wie es wäre, meinen jüngsten Sohn anzurufen, um ihm über mein Erlebnis mit dem Musiker zu erzählen.
    Ich stellte mir vor, wie er lacht und sagt: »Aber Mama, warum weißt du so etwas nicht! Da brauchst du natürlich ein Gleitgel, das ist doch klar!«
    Dann stellte ich mir vor, wie ich mich nicht traue, ihn zu bitten, mir das Mittel zu kaufen, und wie er von selbst nicht auf die Idee kommt.
    Schließlich malte ich mir aus, wie mein Jüngster meinem Ältesten alles verrät und wie mein Ältester mich sofort anruft,sich Sorgen macht und schimpft: »Such dir doch einen gleichaltrigen Mann, mit dem wird dir so etwas nicht passieren!«
    Und ich würde antworten: »Mit einem Gleichaltrigen kann ich doch bestenfalls Tauben füttern!«
    Er würde sagen: »Was hast du dagegen, Tauben zu füttern?«
    Ich würde trotzig rufen: »Tauben füttere ich, wenn ich im Altersheim bin!«
    Er würde trotzig einwerfen: »Im Altersheim ficken doch eh alle!«
    Und ich würde beleidigt sein und fast schreien: »Mich wird niemand ins Alterheim bekommen, und Tauben füttern werde ich auch nie! Mir gefallen jüngere Männer, ich gefalle ihnen und das muss doch in Ordnung sein!«
    Dann würde er auflegen, ohne sich zu verabschieden. Und ich würde weinen, dachte ich.
    Also ließ ich das Telefon lieber in Ruhe und behielt meine Bedenken und Erlebnisse für mich. Ich war betrübt, dass ich nicht einmal eine Freundin anrufen konnte. Ich kleidete mich an, um einen Spaziergang zu machen. Draußen schneite es schon, der Winter war früh hereingebrochen.
    Im Treppenhaus grüßte mich die Nachbarin aus dem Erdgeschoß: »Grüß Gott, Frau Vavrik, hatten Sie wieder Besuch?«
    Â»Das war mein Neffe«, log ich sinnloserweise.
    Â»Ach so! Er hat sich auch wirklich wie ein Neffe angehört!«
    Sie musste unbedingt zeigen, dass sie alles wusste.
    Die Gehsteige waren rutschig. Ich ging nicht allzu weit. Die Blätter der Kirschbäume mischten sich mit dem Schnee. Der Himmel zeigte ein schönes Weiß, das allerdings schnell in ein abendliches Graugelb überging.
    Was für ein Tag, dachte ich.



15
    Vielleicht waren die Bedenken, die mein ältester Sohn hätte, wenn er alles wüsste, doch berechtigt. Vielleicht waren sogar die Spötteleien meiner Nachbarin nicht ganz unberechtigt. Manchmal, wenn ich darüber nachdachte, was ich eigentlich tat, kam mein früheres Ich zum Vorschein, dann hörte ich im Geiste die Stimme meiner Mutter und spürte das Entsetzen, das die meisten Menschen, die ich in meinem Leben gekannt hatte, einer Frau wie mir entgegengebracht hätten. Und dann fühlte ich kurzzeitig eine Scham, die mich zu ersticken drohte. Aber meist fasste ich mich sehr schnell wieder. Ich war jetzt eine andere. Ich tat, was mir gefiel. Und ich machte damit auch noch andere glücklich. Niemand hat ein Recht, darüber zu urteilen, was zwei Menschen miteinander tun, was zwei Menschen glücklich macht.
    Ein paar Tage nach diesem Treffen mit dem Musiker war ich mit einem Mann verabredet, der mich am Telefon gebeten hatte, mich eine Woche vor seinem Besuch nicht zu waschen. Wirklich begeistert war ich nicht von der Idee, aber seine Stimme hatte nett geklungen. Also kam ich seinem Wunsch immerhin so weit entgegen, dass ich mich zumindest am Tag seines Besuchs und am Vortag nicht wusch.
    Zur vereinbarten Zeit läutete er an der Tür. Ich öffnete, und vor mir stand ein dunkelhaariger, schlanker und groß gewachsener Mann mit einem schnurgeraden Scheitel und einem penibel gepflegten Schnurrbart. Er stellte sich als Hermann Gustav Landauer vor, aber ich nannte ihn von unserer ersten Begegnungan nur noch den Grafen. Diesem Spitznamen entsprach zunächst auch sein Benehmen. Er war übertrieben höflich. Sogar in meiner eigenen Wohnung hielt er mir die Türen auf. Ich konnte gar nicht schnell genug schauen, schon hatte er mir Kaffee nachgeschenkt. Er lachte über jeden noch so dummen Witz von mir und lobte meinen Geschmack bezüglich der Einrichtung meiner Wohnung. So gab er mir innerhalb weniger Minuten unglaublich viel Selbstsicherheit und Ruhe.
    Dann fragte er mich mit seiner exakten Aussprache und seiner tiefen Stimme unvermittelt, ob ich seinen Wunsch bezüglich der Körperhygiene erfüllt hätte. Ich log und bejahte. Das stellte sich als Fehler heraus, denn es war,

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