Nacktbadestrand
was war schon dabei? Jeder Mann hat bestimmte Vorlieben. Manche Männer lieben dunkle,andere helle Frauen, manche lieben junge, manche alte Frauen. Wer legt den Rahmen fest, was normal ist? Normal ist doch, was niemandem schadet. Wenn Männer, die alte Frauen mögen, mit ihnen schlafen, wem schadet das? Und wenn eine Frau mit achtzig in der Liebe nachzuholen versucht, was sie in mehr als einem halben Jahrhundert versäumt hat, wem sollte das schaden?
Höchstens ihr selbst, dachte ich, wenn ich mir diese Frage manchmal stellte. Und ich ärgerte mich immer selbst, wenn ich mir diese Antwort gab. Denn ich hatte eigentlich nie Angst davor, dass mir einer der Männer etwas antun könnte. Meine Ãngste waren unbestimmt. Ich hatte eben manchmal das Gefühl, etwas Falsches zu tun. Wenn ich dieses Gefühl analysieren wollte, fand ich keine reale Basis dafür. Es war die Folge einer Kindheit in den DreiÃiger- und einer Jugend in den Vierzigerjahren. Es war die Folge der SpieÃigkeit der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen war und die auch bestimmen wollte, welche Art von Sex in Ordnung war und welche nicht. Jene, die nicht in Ordnung war, wurde nicht definitiv verboten, sondern sie war einfach tabu. Deshalb konnte ich nicht das Gefühl haben, etwas Verbotenes zu tun, sondern meine Schuldgefühle kamen von innen und nagten manchmal schwächer und manchmal stärker an mir. Die gesellschaftlichen Grundprinzipien hatten sich in all den Jahren nicht verändert, es hatten sich nicht einmal die Grenzen des Erlaubten wesentlich verschoben. Es hatten bloà alle angefangen, über das Erlaubte lauter zu reden. Junge Frauen wurden nackt und in immer eindeutigeren Posen plakatiert, aber was ist daran sexuelle Freiheit? Sexuelle Freiheit bestünde darin, wenn jeder jeden das tun lassen würde, was niemand anderem schadet. Aber sogar in der Kolumne im Wiener, »Pandoras Box«, schreibt die Autorin ihr Plädoyer für die freie Liebe lieber anonym. Und was würde passieren, wenn Roberts Mitarbeiter und Kunden erfahren würden, dass er mit einer Frau wie mir vögelte?
Ich sortierte die Briefe gründlich aus und warf lieber zu viele als zu wenige weg. Dennoch kam ich von Ende August bis Anfang Januar auf über fünfzig Männer, die mich besuchten. Etwa zehn lieà ich nach einigen Minuten wieder gehen. Besonders dann, wenn ich erkannte, dass sie mich in ihrem Brief zum Beispiel bezüglich ihres Alters angelogen hatten. Nach der Geschichte mit Peter hatte ich erst einmal genug von alten Männern. AuÃerdem sind Männer über fünfzig schwierig. Ich weià nicht genau, was sie suchen, aber jedenfalls nicht dasselbe, was ich damals suchte. Ich suchte Lust, das Vergnügen des Augenblicks, und wenn sich mehr daraus entspinnen sollte, umso besser. Aber Männer über fünfzig haben meistens schon Potenzprobleme, es sei denn, sie sind schlank und sportlich. Und je älter sie werden, desto mehr wollen sie vielleicht, aber desto weniger können sie. Es gibt immer wieder diese Geschichten von Siebzig-, Achtzig- oder sogar Neunzigjährigen, die noch Kinder zeugen, aber wer weiÃ, wie die dazu kommen. Männer haben es im Vergleich zu uns Frauen wirklich schwer.
Ich versuchte es noch mit einem einzigen Mann über sechzig, aber er konnte nicht. Dann war er depressiv, und ich musste ihn trösten. Auf so etwas hatte ich wirklich keine Lust.
Damals dachte ich, dass mein Alter nicht nur deswegen von Vorteil ist, weil ich jetzt entspannter und vor allem frei von Ehemännern bin, sondern auch, weil ich nicht mehr so attraktiv wie eine junge Frau bin. Ich war nie das perfekte Unterwäschemodell und bin jetzt von derartigen MaÃstäben so weit entfernt, wie man nur irgendwie sein kann.
Das heiÃt, dass mich die Männer nicht mehr wegen perfekter Formen lieben, die sie von einer Achtzigjährigen ja auch gar nicht erwarten können, sondern für etwas anderes: Für eine Weiblichkeit, die vom körperlichen Aussehen eher unabhängig ist, die Männer durch Bewegungen, Gesten, Worte erregt. Jung istan mir offenbar meine Stimme, zumindest sagten mir das einige Männer schon am Telefon.
Auf der Suche nach etwas, das stabiler sein würde, traf ich manche Männer nur einmal, dann wollte ich nicht mehr, oder sie meldeten sich nicht mehr. Wie das eben so ist.
Einer kam im Herbst zweimal zu mir. Er war sehr sympathisch, seine Stimme war
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