Nadelstiche
Richtung. »Die Leute da waren sehr kooperativ. Haben uns ihre Adressenkartei und die Geschäftsbücher einsehen lassen. Die Chefin, Lydia Martinette, hat mir versichert, dass niemand namens Hogaarth je bei ihnen eine Adoption beantragt hat und auch kein Kind mit diesem Namen je über ihre Einrichtung vermittelt wurde.«
»Und du glaubst ihr?«
»Warum sollte ich nicht? Ich hab den Laden durchleuchtet, Jake. Sozialamt und Jugendamt sagen, Family Builders leistet gute Arbeit. Du solltest die Bilder im Wartebereich sehen – Kinder im Rollstuhl, geistig behinderte Kinder, Kinder, die seit Jahren von einer Pflegefamilie zur nächsten durchgereicht wurden, und Mrs Martinette findet für sie alle ein Zuhause.«
»Mag ja sein, aber Mrs Martinette sucht nur nach irgendwelchen offensichtlichen Verbindungen. Vielleicht findest du in den Unterlagen ja was, das nicht so offensichtlich ist«, sagte Jake.
»Das sind vertrauliche Adoptionsunterlagen, Jake. Ich krieg doch von keinem Richter die Erlaubnis, die wahllos einzusehen, ich meine, ohne den geringsten Hinweis, dass sie irgendwas enthalten könnten, das mit dem Mord an Amanda Hogaarth in Zusammenhang steht.«
Jake seufzte. Pasquarelli hatte natürlich recht. Die einzigen Anhaltspunkte, die sie hatten, waren ein spanischsprachiges Kochbuch, eine Adoptionsagentur und eine Foltermethode. Sie brauchten einfach mehr. Plötzlich fiel Jake etwas ein. Vor seinem geistigen Auge sah er wieder die saubere kreisrunde Stelle auf Hogaarths Couchtisch, die ein Gegenstand zurückgelassen hatte, den die Kriminaltechniker entfernt hatten. »Hör mal, hat die Spurensicherung irgendwelche Fingerabdrücke auf dem Ding gefunden, das sie aus der Wohnung des Opfers mitgenommen haben – was war das, eine Tasse, ein Glas?«
Pasquarelli leerte sein Bierglas und schaute sich um.
»Willst du noch ein Bier?« Jake hob die Hand, um zu winken. »Die Kellnerin ist da drüben.«
Der Detective riss Jakes Hand wieder herunter. »Nein! Warte.« Pasquarelli beugte sich vor. Jake tat es ihm gleich und spitzte die Ohren, um die plötzlich leise Stimme seines Freundes bei dem Lärm der anderen Gäste zu verstehen. »Das darf ich eigentlich niemandem erzählen. Es war eine Kaffeetasse, und die haben auf ihr einen perfekten Abdruck gefunden. Wir haben ihn an die Fingerabdruck-Datenbank geschickt, und eh ich mich’s versah, bekam ich einen Anruf.«
Pasquarelli wandte erneut den Kopf. Jake hatte den Eindruck, dass er ihn einmal um 360 Grad gedreht hätte, wenn das anatomisch möglich gewesen wäre. »Ich soll morgen an der Federal Plaza 26 erscheinen, um mit niemand Geringerem als dem stellvertretenden Direktor des FBI über den Abdruck zu reden. Der Mann heißt David Conroy, und er kommt morgen extra für diese Besprechung aus Washington.«
15
Sam saß mit einer dampfenden Tasse Kaffee am Esstisch seines Bruders und las die New York Times. Die Zustände hier hatten sich eindeutig verbessert, seit Jake mit Manny zusammen war. Jetzt gab’s immer French-Roast-Kaffee und Toastbrot in der Küche und vor allem auch Toilettenpapier im Bad. Ah, der kultivierte Einfluss einer Frau! Er musterte seinen Bruder, der auf der anderen Tischseite gleichfalls in die Times vertieft war. Eines hatte sich jedoch nicht geändert. Nach wie vor wurde nur ein Exemplar der Zeitung geliefert, und er, der ungeladene Gast, musste sich mit den Seiten begnügen, die Jake aussortierte. Er hatte schon das Feuilleton und die gastronomischen Empfehlungen gelesen, und der Wirtschaftsteil interessierte ihn nicht die Bohne. Blieb noch der Lokalteil, da Jake selbstsüchtig den Sportteil und die ersten Seiten für sich behielt.
BÜRGERMEISTER WILL LESEPROGRAMME FÖRDERN . Ja, ja, das Thema brachten sie immer wieder, schon als er noch im Kindergarten gewesen war. FREIE WAHL DER GESCHLECHTSANGABE AUF GEBURTSURKUNDE? – so was gab’s auch nur in New York. Sam blätterte um. LONG-ISLAND-LOKALPOLITIKER UNTER KORRUPTIONSVERDACHT , als ob das was Neues wäre. Er schielte zu seinem Bruder hinüber, der offenbar ganz konzentriert den Leitartikel las. Wieso konnte er dann nicht den Sportteil rausrücken? Sam streckte unauffällig seine langen Finger aus und zog behutsam den Artikel über die Yankees näher.
Klatsch!
Der Sportteil wurde ihm wieder entrissen.
»Mensch, Jake, du kannst doch nicht zwei Sachen gleichzeitig lesen. Lass mich nur mal einen Blick auf die Tabelle werfen.«
»Nein, dann krieg ich den Teil nicht wieder. Ich will in Ruhe die
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