Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
gehen. Denn Geld schenkte ihr kein Lächeln und keine Liebe.
Und ihre Tante hatte größten Wert darauf gelegt, dass Rebecca dies nie vergaß. Dafür war Rebecca ihr sehr dankbar. Esther hatte sie gelehrt, alle Menschen zu achten und zu respektieren und ein offenes Ohr für jeden zu haben, der sie um etwas bat.
Esthers Schlichtheit und Ehrlichkeit sowie Liebe und ihr Mitgefühl gegenüber jedem Menschen waren für Rebecca all die Jahre ein Vorbild. Ein Mensch bleibt immer ein Mensch. Und niemals sollte ein Mensch über den anderen herrschen, auch das war eine von Esthers Grundsätzen.
Sie liebte alle Menschen, selbst die, die zu hassen manchmal die Vernunft gebot. All diese Gedanken an ihre über alles geliebte Tante brachten sie unweigerlich zum Weinen. Für nichts in der Welt würde sie sie eintauschen, oder gar ihren Namen und ihr Geheimnis missbrauchen, um daraus einen Eigennutz ziehen.
Niemals, das schwor sie sich. Sie würde für sie da sein. Immer. Aber dieses „immer“, das wusste sie auch, würde nicht mehr lange sein. Denn Esther war alt und krank und die letzten Tage hatten ihr arg zugesetzt, dass hatte Rebecca ganz deutlich gespürt.
Aber wenn dies stimmte, was sie ihr erzählt hatte, gab es da nicht vielleicht doch Hoffnung, dass dieses „immer“ doch noch ein Weilchen dauerte? Sie wollte diese Hoffnung fest in ihrer Hand umschließen und nicht loslassen, damit sie Realität wurde.
Esther hatte einmal zu ihr gesagt, dass, wenn sie fest an etwas glauben würde, dieses Etwas bereits Realität geworden wäre, auch wenn man es noch nicht sah. Und das tat sie nun auch.
Es war schon komisch. Sie saß im Schlafzimmer auf dem Bett und wartete. Warum hatte sie ihrer Tante zugestimmt gehabt, im Schlafzimmer zu warten und nicht mit hinauszugehen? Ihr beschützend zur Seite zu stehen.
Esther hatte gesagt, dass keine Gefahr bestünde. Aber warum wollte sie sie nicht dabei haben?
Hatte sie vielleicht ihrer Tante zugestimmt, weil sie kurz davor ihr ein Geheimnis von solch ungeheuerlicher Tragweite offenbart hatte, dass sie nicht in der Lage war, einen klaren Kopf zu fassen? Denn, als Esther das Zimmer verließ, war sie noch immer benommen, von dem gerade ihr anvertrautem.
Oder waren es die Worte und die Eindringlichkeit der Stimme, die ihr zu verstehen gaben, dass Esther keinen Widerspruch duldete?
Sie wusste es nicht, aber sie war nun einmal in dem Schlafzimmer und jetzt, wo sie sich wieder halbwegs gefasst hatte, wollte sie den Raum verlassen, um wenigstens zu sehen, was geschah. Plötzlich hörte sie einen Knall.
Ein Schuss, dachte sie erschrocken, eilte zur Schlafzimmertür und wollte sie öffnen.
„Scheiße“, schrie sie.
Die Tür war verschlossen. Sie rüttelte an der Tür, denn sie hörte noch einen Knall. Sie hörte Stimmen, Schreie.
Was geschieht dort, dachte sie verängstigt und rüttelte an der Tür, doch die Tür gab nicht nach. Ihre Tante musste sie von außen verriegelt haben, nachdem sie hinausgegangen war.
Sie bekam Angst und der Schweiß bemächtigter sich ihres ganzen Körpers. Und auf einmal galten all ihre Sorgen nur noch ihrer Tante. Sie schrie und schlug gegen die Tür, doch ließ sich diese Tür nicht öffnen.
Fast wurde sie hysterisch.
Dass dieses Schlafzimmer auch ein Fenster hatte, auf diesen Gedanken kam sie nicht. Entnervt ließ sie sich zu Boden fallen. Sie hörte keine Geräusche. Sie hatte das Gefühl für Zeit und Raum verloren. Dann plötzlich öffnete sich die Tür.
„Rebecca komm schnell, du musst mir helfen.“
Rebecca schaute auf und die Erleichterung nahm Besitz von ihr. Kein Zweifel, es war Esther und sie lebte.
Vor Glück ergriffen sprang sie auf und umarmte ihre Tante. Ihre Tränen liefen ohne Scham. Sie küsste sie am ganzen Gesicht und drückte sie noch enger an sich.
„Tante, Tante, du lebst“, sagte sie vor Freude.
„Schnell, Kaan ist verletzt. Du musst mir helfen.“
Mit Hilfe von Jalal gelang es ihnen, alle Männer ins Haus zu holen. Jalal schien sich wieder gefasst zu haben.
Von Antara war weit und breit nichts zu sehen.
„Geht ihr ins Haus. Ich bin gleich da“, sagte Esther.
„Nein, ich komme mit. Und keine Widerrede diesmal“, sagte Rebecca und zeigte Esther unmissverständlich, dass sie diesmal nicht auf ihre Tante hören würde.
Denn der Anblick der toten und verletzten Männer hatten ihr einen riesigen Schrecken eingejagt und auch Selbstvorwürfe, warum sie ihre Tante nicht begleitet hatte.
„Gut. Jalal. Wir sind gleich
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