Nächte am Nil
von Assiut kommend, Alf Brockmann, Lore Hollerau, Jussuf, Faruk, General Yarib Assban und drei andere Offiziere.
Es war alles, wie man versprochen hatte. Das Schwimmbad war da, die Villen standen darum, die Forschungsstätten waren mit den modernsten Apparaten eingerichtet, es gab sogar einen unterirdischen und einen überirdischen Raketenmeß- und Treibsatzentzündungsstand, eine Wetterstation, eine Präzisionswerkstatt zum Drehen feinster Kontrollinstrumente.
Sprachlos sah sich Alf Brockmann um, als General Assban ihn durch die Hallen und Werkstätten führte und er schließlich an seinem Arbeitsplatz stand, dem Chefbüro im Konstruktionsbungalow.
»Ich bin überwältigt, General«, sagte Brockmann ehrlich. »Das alles mitten in der Wüste. Und wie ich sehe, bekannte Gesichter im Mitarbeiterstab.«
»Wie Sie, Sir, eingeflogen aus Kairo und den anderen Instituten. Wir dienen alle der einen Sache: dem Fortschritt. Es werden in den nächsten Monaten noch andere Landsleute von Ihnen nach Bir Assi kommen, Fachleute aus den früheren Forschungsanstalten in Peenemünde und Rechlin. Sie werden nicht einsam sein, Sir.«
»Und meine Frau?«
»Wird so schnell wie möglich herübergeholt. Ich verspreche es Ihnen mit meinem Ehrenwort.«
»Ich danke Ihnen, General.«
Die erste Nacht in Bir Assi, in einem anderen Bett, in einer nur von ihm allein bewohnten Villa, in der völligen Stille einer anscheinend toten Wüste, war für Alf Brockmann wie ein Alptraum. Er zog sich nach drei Stunden Herumwälzen unter dem sich leise surrend drehenden Ventilator wieder an, hängte sich eine wollene, arabische Dschellaba um die Schultern und verließ das Haus.
Wie überall in der Wüste war die Nacht kalt, während im Inneren des Hauses die Wände die gespeicherte Wärme abgaben und es unerträglich schwül war. Der Sternenhimmel flimmerte millionenfach, und wieder sagte sich Brockmann, daß der Himmel nirgendwo so schön sei wie in der Nacht über der Sahara.
Langsam ging er um das große Schwimmbecken herum und verließ den Villenbezirk, schritt die neue Straße hinab zum Eingeborenenbrunnen und beugte sich über die Sonnen- und Wasseruhr, mit der peinlich genau, nach jahrhundertealtem Ritus, die Wasserverteilung auf die einzelnen Kanäle und Gärten geregelt wurde.
Etwas außerhalb der weißen, durch elektrische, hohe Zäune gesicherten Laborbauten setzte er sich auf einen Stapel Palmenholz und blickte hinüber zu den Kasernen und dem jetzt auch schlafenden Dirnenhaus. Er schrak zusammen, als ihn eine weiche Hand berührte. Vorher hatte er nichts gehört, keinen Schritt, kein Knirschen im Sand, nicht einen Hauch von Nähe. Er fuhr herum und sah in ein lächelndes, bezaubernd schönes Mädchengesicht. Die Lippen leuchteten rot, die schwarzen Augen blitzten, und die langen, schwarzen Haare hatte sie mit zwei roten Schleifen gebunden. Trotzdem flossen sie über ihre Schultern und reichten bis zu den Kniekehlen. Die Haut war bronzefarben mit einem Braunstich, der Körper schlank und doch voll ausgeprägter Formen. Sie ging barfuß und trug ein weißes, enges Kleid, ein billiges Fähnchen, das gerade von der Schulter bis etwas oberhalb der Knie das Nötigste verbarg. Sie war keine Nomadin, das sah Brockmann sofort. Sie mußte aus Arabien kommen oder aus dem Sudan. War letzteres der Fall, hatte sie sogar weißes Blut in sich. Ihre Haut war zu braun und verleugnete das südliche Schwarz.
Sie setzte sich neben Brockmann auf den Holzstapel und legte den Kopf etwas zur Seite, so wie man einen fremden, aber interessierenden Gegenstand kritisch betrachtet. Und sie schwieg.
»Wer bist du?« fragte Alf Brockmann auf englisch, in der Hoffnung, sie könne ihn verstehen. Das Mädchen nickte.
»Ich bin Aisha«, sagte sie mit einer melodischen, singenden Stimme. »Ich wohne dort!« Sie zeigte auf das langgestreckte Freudenhaus.
Brockmann lächelte zurück. »Du bist nicht aus der Wüste?«
»Nein. Ich komme aus Jordanien.«
»Ach. Und was machst du in Bir Assi?« Brockmann lachte leise. »Dumme Frage, Aisha, nicht wahr? Du wohnst also dort drüben. Hast du früher in Kairo gearbeitet?«
»Ja –« Es klang zögernd. Aisha senkte die Augen und sah auf ihre schlanken Finger. »Ich muß Geld verdienen. Viel Geld. Mein Vater hat Schulden gemacht, sie haben uns alles genommen. Ich habe noch sechs kleine Geschwister, für sie arbeite ich hier. Hier kann man viel verdienen, weißt du. Täte ich etwas anderes, müßten meine Geschwister
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