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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verhungern.« Sie erzählte es stockend, so, als solle Brockmann merken, daß sie log. Aber er glaubte ihr. Er machte sich nicht die Mühe, ihren Worten nachzusinnen. Armes Ding, dachte er. Aber so ist der Orient. Ein jeder sorge für sich selbst, dann ist Allah bei ihm. Das Faule und Kranke verdirbt – beim Obst ist es so, bei den Tieren und auch bei den Menschen. Und es ist alles Handelsware … ein Korb voll Granatäpfel, eine Hammelkeule oder ein Mädchenleib. Allah ist bei den Tüchtigen.
    »Und was machst du hier?« Brockmann sah Aisha fragend an. Ihre Schönheit war verwirrend, aber hinter diesem Glanz von Jugend und Körperlichkeit stand die abwehrende Faust! Sie kommt aus dem ›großen Haus‹. »Du weißt doch, daß der Europäerbezirk gesperrt ist für euch.«
    »Ich konnte nicht schlafen. Und du?« Aisha lehnte den Kopf zurück. Ihr roter Mund war wie eine gespaltene Granatfrucht. »Wie heißt du?«
    »Alf Brockmann.«
    »Ein lustiger Name. Olf – Oulf Brouckman …«
    »Alf Brockmann.«
    »Ich werde ihn nie behalten.« Aisha lachte leise. Ihr Oberkörper wiegte sich dabei wie nach einer unhörbaren Melodie. »Wo kommst du her?«
    »Aus Deutschland.«
    »Wo liegt das?«
    »Hoch oben im Norden. Da, wo im Winter die Störche herkommen zu euch.«
    »Wo es weißen Regen gibt?«
    »Ja.« Brockmann lächelte versonnen. »Weißer Regen … das hast du schön gesagt, Aisha.«
    »Ich habe davon gehört. Von Soldaten, und die haben es auch nur gelesen. Ist es schön dort im Norden?«
    »Sehr schön.«
    »Schöner als hier?«
    »Manchmal auch.«
    »Und du hast dort ein Mädchen?«
    »Ich habe eine Frau und einen kleinen Jungen, fünf Jahre alt.« Brockmann sah Aishas Augen nahe vor sich. Sein Atem wurde schwerer, und er wandte den Kopf zurück. »Sie werden bald hierher nach Bir Assi kommen.«
    »Eine blonde Frau, nicht wahr? Blond wie du.«
    »Ja. Blond wie leuchtendes Gold.«
    »Du liebst sie?«
    »Sehr.«
    Aisha erhob sich von dem Holzstoß und reichte Brockmann ihre schmale Hand. »Gute Nacht, Oulf«, sagte sie leise. »Als ich dich allein in der Nacht sitzen sah, dachte ich: Dort ist einer so einsam wie du. Aber ich habe mich geirrt … du hast immer deine Frau bei dir, deine schöne, blonde Frau. Du trägst sie immer mit dir herum, im Herzen. Es muß schön sein, Oulf, wenn man so geliebt wird … und nicht nur für ein Silberstück. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Aisha.« Alf Brockmann sprang auf. »Eine Frage noch: Willst du aus dem ›großen Haus‹ heraus?«
    »Zu gerne. Aber wohin? Ich muß Geld verdienen, Oulf.«
    »Ich werde mit dem General sprechen. Ich zahle dir die Woche fünf Pfund, wenn du zu mir als Wirtschafterin kommst.«
    »Fünf Pfund, Oulf?« Aishas Lächeln wurde tief und selig. »Vergiß deine Frau nicht, Oulf … ihr goldenes Haar –«
    Alf schüttelte den Kopf. »Ich will nur, daß dir geholfen wird. Ich habe noch kein Personal im Haus, ich wohne erst seit heute hier. Willst du kommen?«
    »Wenn es erlaubt wird, Oulf.«
    »Ich werde es versuchen. Kommst du morgen wieder hierher?«
    »Nein. Erst in einer Woche. Ich habe drüben Küchendienst. Es ist alles wie in den Kasernen, nur daß wir Mädchen sind.«
    »Dann in einer Woche, Aisha. Hier am Holzstapel.«
    »Ja, Oulf. In einer Woche. Allah segne dich.«
    Alf Brockmann sah ihr nach, wie sie lautlos, als schwebe sie, zwischen den Palmen wegglitt und im Gewirr der Gartenmauern und Hütten des Eingeborenenviertels verschwand. Es war, als löse sich ihre zarte Gestalt zwischen Sand und Sternenhimmel auf.
    An der Tür einer alten Hütte, die noch mit Palmblättern gedeckt war wie zu der ersten Siedlerzeit, blieb Aisha stehen wie ein sicherndes Wild. Sie wartete im Schatten der Gartenmauern über eine halbe Stunde. Dann erst betrat sie durch das schiefe Holztor das Haus und kam in einen großen Raum, der völlig leer war und nach Schafmist stank. Aus einer Ecke, unter altem Gerümpel, holte sie eine Kerze hervor, brannte sie mit einem Streichholz an und wühlte aus einem Haufen faulenden, stinkenden Heus einen kleinen Metallkasten. Sie klappte ihn auf, zog eine Antenne heraus und drehte an einigen kleinen Knöpfen. Einen winzigen Kopfhörer steckte sie sich ins rechte Ohr und suchte durch millimeterweises Drehen der Knöpfe die Frequenz.
    Nach einigen Minuten tickte es in ihrem Kopfhörer. Ganz leise, weit weg, kaum verständlich. »Gamma eins – Gamma eins – Gamma eins –« Aisha, das Mädchen aus dem ›großen Haus‹, drückte einen

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