Nächte am Nil
zweifelnden Gesichter seiner Kollegen und winkte mit einer großen Geste ab.
»Ägypten besteht seit 6.000 Jahren!« sagte er laut. »Es wird nicht an einem Alf Brockmann zugrunde gehen! Wir haben einen Cäsar und Antonius überlebt, wir haben die Engländer nach zähem Ringen entmachtet, wir sind eine eigene Nation geworden … wir können auch auf einen Brockmann verzichten. Schließen wir die Akten, meine Herren. Ein neuer Abschnitt unserer Raketenforschung beginnt!«
Die Sondersitzung des Kabinetts war damit beendet. Der Minister fuhr nach Hause. Dort erwartete ihn sein Freund Faruk Ben Sahedi mit einem besonders hübschen Mädchen aus dem Somaliland. Ein zauberhaftes, siebzehnjähriges Geschöpf mit Pantheraugen und einem Wildkatzenkörper.
Der Minister seufzte laut.
O Allah, dachte er. Das Leben ist schön … Ägypten ist schön … alles ist schön auf dieser Welt, wenn man eine schöne Frau erwartet.
In den Armen eines Weibes verglühen die Sorgen – wer das einmal sagte, war wirklich ein lebensnaher Philosoph.
*
Der Fieseler Storch landete in der Nacht wieder auf dem Fabrikgelände. Nur der Berliner war anwesend und rannte auf sein Flugzeug zu, als der Propeller auslief.
»Ick hab jedacht, die sind abjeschmiert!« schrie er und umarmte Hauptmann Brahms. »Seit drei Stunden loofe ick herum wie'n Pennbruder, der keene Bank mehr findet. Die haben doch keen Benzin mehr, hab ick mir jesagt. Die liejen jetzt in der Wüste und spielen Sechsundsechzig. Und da knattert's in der Luft – Hauptmann, habt ihr det dolle Weibsbild jefunden?«
»Das tolle Weibsbild ist da.« Birgit kletterte aus der engen Kabine und sprang auf den Fabrikhof. Der Berliner sah verlegen zu Brahms, straffte sich dann und machte eine Verbeugung.
»Jnädigste«, sagte er etwas gehemmt. »Det war mir so herausjerutscht. Ick meene …«
»Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.« Birgit umarmte den starken Berliner und küßte ihn auf beide Wangen. »Wenn Ihr alter Fieseler Storch nicht gewesen wäre, wer weiß, was aus mir geworden wäre. So aber lebe ich – und das verdanke ich auch Ihnen.«
»Jnädigste –« Der Berliner sah hilflos auf Brahms. Der lachte und winkte ab.
»Gib dir keine Mühe. Motte deine Kiste wieder ein. Ich glaube, das war der letzte Einsatz des greisen Vogels.« Aber dann wurde auch Brahms ernst und gab dem Berliner die Hand. »Ich danke dir, Kamerad!« sagte er, und es klang ein wenig schief hier auf dem nächtlichen Fabrikhof der afrikanischen Stadt Tobruk. Er hieb dem Berliner auf die Schultern und lachte gequält. »So, und nun roll deinen Vogel wieder ins Heu. Er hat sein Gnadenbrot verdient.«
Im Hause Brahms' schlief alles, als sie aus dem Wagen stiegen. Nur Baraf, der schwarze Riese, war wach. Er saß hinter der Haustür und bewachte den Schlaf der anderen.
»Wo ist Dr. Brockmann?« fragte Brahms, als sie im Flur standen.
»Im Zimmer, Herr. Er schläft seit einer Stunde.«
»Und Zuraida?«
»Wartet auf den Herrn –«
»Was ist sonst in meiner Abwesenheit geschehen?«
»Vieles, o Herr. Die Mädchen …«
Birgit faßte Brahms am Arm. Sie zitterte vor Aufregung. »Wo ist Alf?« flüsterte sie. »Führen Sie mich erst zu ihm. Oder ist das andere so wichtig?«
»Natürlich nicht.« Brahms lächelte still. »Was Baraf zu melden hat, kann bestimmt noch eine Minute warten.« Er nickte dem Riesen zu. »Führ sie zu dem weißen Herrn.«
Brahms blieb unten im Flur stehen und sah Birgit nach, wie sie hinter Baraf die Treppe hinaufstieg. Ihre Beine zitterten, ihr Rücken zuckte. Mit beiden Händen hielt sie sich am Geländer der Treppe fest, als sei es ihr unmöglich, die Kraft aufzubringen, Stufe um Stufe hinaufzugehen.
Brahms wandte sich ab und ging in das Wohnzimmer.
Wie schön es ist, wenn jemand auf einen wartet, dachte er. Wer wartet auf mich? Zuraida? Vielleicht. Sie liebt mich und ich bin verrückt nach ihren Küssen – aber wird dies von Dauer sein? Werden die Gegensätze nicht eines Tages doch alles zerstören? Sind Zuraida und ich zwei Menschen, die sich binden können, die ein ganzes Leben lang wie eine bürgerliche Familie leben können, in einer 2-Zimmer-Wohnung, zwischen Couch und Waschmaschine, zwischen Kindergeschrei und Windeln, zwischen morgendlichem Ei, drei Minuten gekocht, und abendlicher Flasche Bier? Sind wir geboren für dieses biedere Leben?
Brahms setzte sich im Dunkeln ans Fenster und sah hinaus auf die stille afrikanische Straße. Bitterkeit stieg in ihm hoch. Er ahnte, daß
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