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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er sich selbst betrog, wenn er zu allen Fragen ja sagte.
    Er war ein ewig Ruheloser. Er war ein moderner Nachfolger Ahasvers, der nirgendwo mehr eine Heimat fand. Er war wie ein Clochard, den nichts mehr schreckte als Geborgenheit und Bürgertum, ein sauberes Bett und ein Schlips um den Hals.
    Die Tür klappte auf. Ein Schatten huschte ins dunkle Zimmer. Zwei weiche, nackte Arme schlangen sich um seinen Hals, der süßliche Geruch eines Frauenkörpers umströmte ihn mit unwiderstehlicher Versuchung.
    »Zuraida!« sagte Brahms heiser. »Mein Engel!«
    Und alle dunklen Gedanken starben an ihren Lippen und unter ihren streichelnden Händen.
    *
    Alf Brockmann lag angekleidet auf dem Bett und wälzte sich in unruhigem Schlaf hin und her, als Birgit die Tür öffnete, ins Zimmer trat und sie hinter sich wieder leise zuzog.
    Auf Zehenspitzen ging sie zum Bett und beugte sich über ihren Mann.
    Alf, schrie es in ihr. Alf! Jetzt bin ich bei dir! Ich bin da! Nach einem Jahr! Endlich, endlich!
    Ganz vorsichtig und leise setzte sie sich auf die Bettkante und strich mit den Fingerspitzen über sein Gesicht. Alf streckte sich und murmelte unverständliche Worte.
    Ich habe nie geglaubt, daß du tot bist, Liebster, dachte Birgit. Doch, ich lüge. Einen Augenblick lang war ich unsicher … als man deine Urne brachte und ich mir sagen sollte: Das ist alles, was von Alf übriggeblieben ist, von meinem Glück, von meiner Liebe. Aber dann war auch das vorbei, und ich sagte: Nein. Er lebt. Ich fühle es, daß er lebt.
    Ich habe es so fest gefühlt, Liebster. Und nun liegst du vor mir und weißt noch nicht, daß ich neben dir sitze und dich ansehe. Viele Falten hast du dazu bekommen … hier, um den Mund, und auf der Stirn, und in den Augenwinkeln. Ach, ich kannte alle Falten deines Gesichtes. Weißt du noch, wie ich sie nannte? Straßen der Reife … Wir lagen in der Sonne, im hohen Gras unseres kleinen Gartens, und ich fuhr mit den Fingerspitzen über dein Gesicht … so wie jetzt. »Ich bin ein alter Mann, nicht wahr?« sagtest du damals. Und ich habe geantwortet: »Ich liebe dich!« Ob du das noch weißt, mein Liebster?
    Sie legte den Kopf neben seinen Kopf auf die gefaltete Decke und sah ihn von der Seite an. Sein Atem glitt über ihr Gesicht, und seine Mundwinkel zitterten im Schlaf.
    Liebster – es gibt nichts mehr auf der Welt als dich. Das weiß ich jetzt. Dich und unseren Jörgi. Er lebt, weißt du das schon? Er ist wieder zu Hause, und wir werden so glücklich wie nie zuvor. Wir werden uns an der Hand nehmen und nie mehr auseinandergehen. Nie mehr. Versprich mir das, ja? Bitte, bitte, versprich mir das!
    Leise stand sie wieder auf und streifte ihre staubige, zerschlissene Kleidung ab. Nackt kam sie zum Bett zurück und legte sich wieder neben ihren Mann.
    Brockmann wandte im Schlaf den Kopf zu ihr, seine Hände legten sich auf ihren Leib und ihre linke Brust.
    »Alf –«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    Er brummte etwas, aber der Druck seiner Hände verstärkte sich. Da küßte sie ihn auf den Mund und weckte ihn.
    »Birgit –«, sagte er.
    Nur Birgit.
    Aber die Welt war vollkommen.
    *
    Es stimmte nicht, was Baraf seinem Herrn gemeldet hatte. Nicht alle schliefen im Haus, als Brahms mit Birgit zurückkam. Neben dem Zimmer Zuraidas lag Lore Hollerau wach im Bett und lauschte auf jedes Geräusch, das im Haus war.
    Sie hörte das näher kommende Auto, das Schlagen der Türen, die leisen Stimmen unten im Flur.
    Sie sind gekommen, dachte Lore. Brahms hat sie gefunden. Nun ist sie da … Birgit Brockmann, seine Frau.
    Sie setzte sich im Bett hoch, warf den Kopf in den Nacken und lauschte angestrengt. Dann stieg sie aus dem Bett und tappte zur Tür, legte das Ohr daran und verfolgte alles, was im nachtdunklen Haus geschah.
    Stimmen. Brahms sprach. Dann sie … Birgit. Wie hell sie spricht, ich habe sie mir viel dunkler im Timbre vorgestellt, dachte Lore. Jetzt klappt eine Tür. Und Schritte kommen die Treppe herauf … ein schwerer Tritt, die Dielen erzittern bis zu mir … das ist Baraf, der schwarze Riese. Und hinterher kommt sie, ich höre sie nicht, aber ich weiß, daß sie hinter ihm ist … er führt sie zu Alfs Zimmer … und gleich wird sie hineingehen, gleich wird sie bei ihm sein, gleich wird meine eigene Welt zusammenbrechen.
    Stille.
    Lore hielt den Atem an. Ein Scharren, wieder der schwere Tritt. Baraf ging die Treppe hinunter. Allein. Sie war oben geblieben, stand vor Alfs Tür … Mach sie auf, mach sie doch auf. Ich

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