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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alles, was ich gelernt habe an Christentum, Kultur und Menschlichkeit. Bei Gott, ich werde bei den chinesischen Folterknechten in die Lehre gehen!«
    Unentwegt zog der Fieseler Storch seine Kreise, und vier brennende Augen tasteten jeden Meter Boden ab und suchten eine einzelne, um ihr Leben laufende Frau …
    *
    Nachdem der Neger Dumba sie verlassen hatte und zurückgelaufen war, um die Verfolger zu täuschen, ruhte sich Birgit etwa eine Stunde aus und nahm dann ihre Wanderung in das Ungewisse wieder auf.
    Immer geradeaus, hatte Dumba gesagt. Was heißt geradeaus? In der Wüste sieht jeder Meter wie der andere aus, jeder Steinhaufen gleicht dem vorigen, jeder Hügel ist ein Zwilling der Vorgänger, jeder mit Hoffnung begrüßte stachelige Tamariskenstrauch kann der gleiche sein, den man schon vor einer Stunde fast hätte umarmen können. Wer wußte, ob man nicht im Kreis lief? Die Sonne, ja, sie war ein Anhaltspunkt. Aber auch die Sonne wanderte … von Osten nach Westen … und dazwischen lag also Norden, eine von Stunde zu Stunde sich verschiebende Richtung, wenn man so ungeübt war wie Birgit.
    Nach mühseliger Wanderung – sie hatte allen Zeitbegriff verloren und unterbrach ihr Laufen nur, um kleine Schlucke aus dem Fellsack mit Wasser zu nehmen, den Dumba dem niedergeschlagenen Wächter abgenommen hatte – erreichte sie ein ausgetrocknetes Flußbett, ein Wadi. Es verlief in gerader Richtung nach Norden, wie Birgit annahm, und bildete somit eine Straße, der sie nur nachzugehen brauchte.
    Wo ein Wadi ist, ist auch Wasser, dachte sie. Auch wenn das Flußbett jetzt ausgetrocknet ist: Die Agaven brauchen Nahrung, und irgendwo dort hinten in der Ferne wird vielleicht ein Tümpel liegen, ein Brunnen, ein Fleckchen Schatten, ein paar Palmen. Sie ging zu einer der großen Agaven und brach ein Blatt ab. Es war dick und fleischig und als sie es preßte, lief grüner Saft über ihre Hände.
    Verdursten werde ich nicht, dachte sie weiter. Ich werde die Agavenblätter auspressen und von ihrem Saft leben.
    Das Wadi war durchsetzt mit großen Steinen, die das schnelle Laufen erschwerten. Nach einer Stunde spürte Birgit, wie ihre Knie zitterten und die Fußsohlen brannten. Bis in den Leib hinein zogen die stechenden Schmerzen, jeder weitere Schritt wurde jetzt zur Qual und schließlich zu einem wahnsinnigen Stich, der durch den ganzen Körper ging.
    Mit letzter Kraft schichtete sie einige große Steine aufeinander und legte sich erschöpft innerhalb dieser ›Burg‹ auf die Erde. Einige große Agavenblätter legte sie über sich wie ein Dach, und niemand, der vom Rande des Wadis oder gar aus der Luft über das Land blickte, konnte entdecken, daß dort ein Mensch lag.
    Ein paarmal hörte sie das ferne Brummen eines Flugzeuges. Sie suchen mich, dachte Birgit. Woher haben sie bloß so schnell einen Hubschrauber bekommen? Natürlich, ich bin ihre wertvollste Ware. 5.000 Pfund hat ein gewisser Bomboko in Lagos für mich bezahlt.
    Sie schichtete die großen Agavenblätter enger über ihre Steinburg und verkroch sich wieder.
    Das Flugzeuggeräusch kam näher, donnerte über sie hinweg, entfernte sich wieder. Birgit lag wie ein Igel zusammengerollt in ihrem Versteck und rührte sich nicht.
    Sie haben mich nicht gesehen, jubelte sie innerlich. Sie fliegen weiter. Ich habe mir ein herrliches Versteck gebaut.
    Noch dreimal ratterte das Flugzeug über das Wadi. Beim viertenmal wagte Birgit einen Blick durch die Ritzen ihres Agavendaches.
    Unter dem glühenden Himmel kreiste ein silberner Riesenvogel. Kein Hubschrauber, sondern ein Eindecker.
    Durch Birgit ging es wie ein lähmender Schlag.
    Brahms … das konnte sie denken, aber die Erkenntnis, gerettet zu sein, nicht mehr laufen zu müssen, Alf wiederzusehen, nach Deutschland zurückkehren zu können, Jörgi in die Arme zu schließen, diese herrliche Zukunft, die in diesen Sekunden wie bunte Bilder vor ihr vorüberzog, machte sie völlig hilflos. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in den Himmel und auf das kreisende Flugzeug. Und erst dann, als sie sah, daß der Fieseler Storch drehen wollte, wich die Lähmung von ihr … sie riß das Blätterdach weg, rannte in die Mitte des ausgetrockneten Wadis, riß ihre Bluse vom Körper und schwenkte sie mit beiden Armen durch die Luft.
    Das Flugzeug kam zurück, flog einen weiten Kreis, ging tiefer, zog eine Schleife und begann mit den Tragflächen zu wackeln.
    »Ich bin es!« schrie Birgit in die heiße Luft. »Ich bin es!« Und obwohl

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