Nächte am Nil
es völlig sinnlos war und nur Kraft kostete, schrie sie es immer wieder, lief hin und her, schwenkte ihre Bluse, weinte vor Freude und Erschöpfung und merkte nicht, wie die Sonne ihre entblößten Brüste verbrannte und der Schweiß auf ihrer Haut verdunstete wie Wasser auf einer glühenden Kochplatte.
»Da ist sie!« hatte Minuten vorher Brahms in der Flugzeugkanzel geschrien und den Piloten fast in Gefahr des Absturzes gebracht, weil er ihm so kräftig auf die Schulter hieb, daß er den Steuerknüppel nach vorn stieß. »Im Wadi! Da steht sie und winkt! Runter, Junge, runter! O verdammt noch mal, ich glaube, ich alter Esel heule …«
Er wischte sich über die Augen, und als er die Hände zurückzog, waren sie tatsächlich feucht.
Oberhalb des Wadis, wo es weniger Steine gab und das Flugzeug ausrollen konnte, landeten sie. Brahms sprang heraus und rannte zum Wadi. Er stolperte und stürzte fast die Geröllwand hinunter, das letzte Stück rutschte er sogar auf dem Hintern, bis eine Agave ihn bremste.
Ihm entgegen rannte Birgit, noch immer ihre Bluse schwenkend, in einem Taumel von Lachen und Weinen.
Mitten im Flußbett trafen sie sich und Birgit breitete die Arme aus wie ein Kind, das dem Vater entgegengelaufen ist.
Hauptmann Brahms verbeugte sich korrekt und sah ein wenig schüchtern auf die nackten Brüste Birgits.
»Ich begrüße Sie, gnädige Frau«, sagte er korrekt. »Darf ich Ihnen meine Bewunderung aussprechen, daß Sie sogar in der Wüste nach der neuesten Mode des ›Oben-ohne‹ bekleidet sind …«
Birgit lachte unter Tränen und preßte die Bluse gegen ihre Brust.
»Sie haben mir das Leben geschenkt, Brahms«, sagte sie. »Und geboren wird man immer nackt –«
Dann sank sie in die Arme Brahms', die letzte Kraft hatte sie verlassen.
Wie ein Kind nahm Brahms Birgit auf seine Arme und trug sie das ausgetrocknete Flußbett hinauf zu dem wartenden Flugzeug.
*
In Kairo trat in diesen Tagen das Kabinett unter Vorsitz des Innenministers zu einer Sondersitzung zusammen.
Einziger Punkt der geheimen Besprechung war die Flucht Alf Brockmanns und der Zusammenbruch der Forschungsstätte Bir Assi. Der Tod General Assbans wurde überhaupt nicht erwähnt, ebensowenig die Niederlage der ägyptischen Suchtruppen in der Wüste durch einen nicht identifizierten Stoßtrupp. Diese Angelegenheit war Gegenstand eines Protestes in Libyen und außerdem zu blamabel, um darüber zu sprechen.
»Meine Herren«, sagte der Minister und blickte über die Runde seiner Kollegen, »was in den letzten Tagen geschah, ist eine rein innenpolitische Angelegenheit Ägyptens und darf auf gar keinen Fall außenpolitisch ausgewalzt werden. Ich habe eine Informationssperre verhängt und kann Ihnen sagen, daß über die Vorfälle in Bir Assi und an der libyschen Grenze niemand unterrichtet ist als wir und die libysche Regierung. Sie wird im eigenen Interesse alles tun, um diesen Zwischenfall ebenfalls zu verschweigen. Sie alle wissen, worum es geht: Das Ansehen Ägyptens muß bei seinen arabischen Freunden erhalten und sogar gestärkt werden.« Der Minister wischte sich über seine lichten Haare. »Was ist aus der gegenwärtigen Lage zu lernen? Was haben wir zu tun? Es steht zu erwarten, daß Libyen Alf Brockmann nicht ausliefert, sondern ihn nach Europa abschiebt. Es wäre ein leichtes, Brockmann in Deutschland selbst durch unseren Geheimdienst unschädlich zu machen. Aber das gäbe wieder ein großes Aufsehen, das wir unter allen Umständen vermeiden wollen.« Der Minister blätterte in seinen Akten. Was er zu sagen hatte, war nicht seine Meinung, sondern die des Staatschefs.
»Meine Herren! Mit dem heutigen Tage schließen wir den Komplex Brockmann ab. Alle noch im Lande befindlichen deutschen Ingenieure und Forscher werden, da sie noch Verträge mit uns haben, isoliert und erhalten harmlose Aufgaben im Rahmen einer Raumforschung. Es wird unsere Aufgabe sein, die Deutschen nach und nach abzuschieben.« Die Stimme des Ministers hob sich. »Ich kann Ihnen auf der anderen Seite die erfreuliche Mitteilung machen, daß die Entwicklungsarbeiten an der Langstreckenrakete und einer Interkontinentalrakete weitergehen. Raketenfachleute eines anderen Staates sind bereits unterwegs, um die Arbeitsplätze der Deutschen einzunehmen, uns mit ihren neuesten Erkenntnissen zu dienen und uns die Waffen zu liefern, die uns befähigen, einmal unseren Erbfeind Israel vernichtend zu schlagen.«
Der Minister klappte seine Aktenmappe zu. Er sah in die
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