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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von ihr zu Brockmann über. »Darf ich bei dir bleiben, Oulf? Morgen kommt General wieder. Du kannst es ihm gleich sagen.«
    »Woher weißt du, daß General Assban morgen kommt?«
    Aisha hob die schmalen Schultern. »Man spricht darüber drüben im ›großen Haus‹. Auch Offiziere kommen zu den Mädchen. Es wird so viel erzählt bei uns, Oulf.«
    Brockmann nickte. Er wandte sich ab. Plötzlich war es ihm unerträglich, auf einen nackten, wunderschönen Körper sehen zu müssen, der für ein paar Silberstücke käuflich war. Jeder konnte ihn besitzen, wenn er das Geld auf den Tisch legte … vom ägyptischen Schuhputzer bis zum Kamelhändler, vom schwitzenden Wasserradtreter bis zum Fellachenbauern.
    »Zieh dich an!« herrschte er Aisha an. »Und geh zurück ins ›große Haus‹. Ich lasse dich rufen, wenn es soweit ist.«
    Aisha nahm ihre Kleider und rollte sie in ein baumwollenes, buntbedrucktes Tuch. Plötzlich ergriff sie Brockmanns Hand und küßte sie. Mit einem Ruck zog er sie zurück. Aisha taumelte und klammerte sich an ihm fest. Durch sein dünnes Hemd spürte er den Druck ihrer Brüste. Ihr schmales, glänzendes Gesicht, ihre schwarzen, glühenden Augen, ihre halbgeöffneten Lippen waren ihm ganz nah. Er spürte ihren Atem, roch ihr nasses Haar.
    »Du bist böse, Oulf?« fragte sie leise. »Warum bist du böse mit Aisha?«
    »Du sollst gehen!« rief Brockmann grob. »Man erwartet dich im ›großen Haus‹!«
    »Oh, wie ungerecht du bist.« Aisha trat einen Schritt zurück. Ihr Kopf sank nach vorne. Es war eine demütige, eine klägliche Haltung. »Ich werde nie wieder kommen, Oulf.«
    »Gute Nacht!« Alf Brockmann wandte sich ab und ging ohne sich umzusehen ins Haus zurück. Im Vorraum traf er Lore Hollerau. Sie hatte ein Taschentuch zwischen den Fingern und zerriß es in kleine Fetzen.
    »Wer war das, Chef?« fragte sie mit mühsamer Beherrschung. »Eine Eingeborene …«
    »Ein Mädchen – Aisha.« Brockmann ging ins Schlafzimmer. Er sah aus dem Fenster. Aisha war verschwunden, wie ein Zaubervogel, der weitergeflogen war. »Sie will bei uns als Haushälterin anfangen.«
    »Bei uns?«
    »Ich hatte den Gedanken, daß Sie und ich uns das Mädchen teilen.«
    »Nie! Nie!«
    »Aber warum denn nicht, Lore? Sie kennen Aisha ja noch gar nicht.« Brockmann drehte sich um. Lore Hollerau stand in der Schlafzimmertür und warf die Taschentuchfetzen auf den Boden. Ihr Gesicht zuckte. »Ich habe gesehen, wie sie ist. Ich könnte nicht fünf Minuten mit ihr Zusammensein.«
    Brockmann legte sich seufzend zurück auf sein Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Der Ventilator über ihm summte noch immer, die Propeller blitzten sekundenschnell auf, wenn ihre metallischen Flügel durch den Mondschein kreisten.
    »Sie wird nicht zu uns kommen, Lore«, sagte er müde. »Ich weiß überhaupt nicht, wie alles noch werden soll. Im Augenblick bin ich müde, bin ich am Ende. Mir ist alles gleichgültig. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Chef.«
    Lore Hollerau ging auf die Terrasse und setzte sich dort in einen der Korbsessel.
    Ein Jahr lang arbeite ich mit ihm, dachte sie. Jeden Tag sind wir zehn Stunden zusammen. Und wie viele Nächte saßen wir nebeneinander in den Labors. Immer war ich um ihn, näher als jeder andere, und nie hat er mich als eine Frau angesehen. Ich war sein Stenogrammblock, sein Diktiergerät, sein Termingedächtnis, seine dritte Hand. Ich war geschlechtslos für ihn. Er hat nie gefragt, was ich fühle. Er hat immer nur gesagt: ›Lore, vergessen Sie nicht … erinnern Sie mich daran … denken Sie an …‹ Ich war sein Ideenspeicher, weiter nichts.
    Aber ein kleines, braunes Eingeborenenmädchen, das sieht er. Ein nacktes Tier. Aisha.
    Lore Hollerau hielt den Atem an. Aus dem Fenster des Schlafzimmers hörte sie die tiefen Atemzüge Brockmanns. Da zog sie eine Decke um sich, wickelte sich hinein und blieb auf der Terrasse sitzen wie ein Wachhund.
    Am Rande der Oase, zwischen den Kasernen und dem ›großen Haus‹, heulten noch immer die Schakale.
    *
    Es wurde eine kurze Nacht.
    Gegen 3 Uhr früh erschütterte eine Explosion die Oase Bir Assi. Eine hohe Stichflamme zuckte in den Sternenhimmel, die Druckwelle der Explosion zerdrückte alle Fensterscheiben, der Boden schwankte, als schwämme die Oase wie ein Floß auf einem Meer, und dann erst hörte man das donnernde Einstürzen von Mauern und das vielstimmige Geschrei von Menschen.
    Alf Brockmann fuhr hoch und rannte ans Fenster. Er schnitt sich die

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