Nächte am Nil
verunglückt ist. Und das Datum auf der Urkunde. Ich kann mir denken, daß der Botschafter getobt hat. Soviel Dummheit ist, bei Allah, tödlich. Und nun will sie nach Ägypten. Und ich sage dir: Sie kommt hin. Es gibt genug Verräter, die für Geld das Vaterland opfern. Was sind Grenzen, Freund? Kann man vom Mittelmeer bis zum Roten Meer die Küsten Meter für Meter absperren? Und Sinai ist da und die tunesische Grenze. Nein … diese Frau darf überhaupt nicht fahren.«
Der Besucher hob die Schultern und knabberte an seinem Gebäck. »Wie willst du das verhindern, Zareb?«
»Sie hat ein Kind.« Zareb sah nachdenklich auf das Mundstück seiner Pfeife.
»Ja. Detlef-Jörg. Fünfeinhalb Jahre alt.«
»Kinder sind die beste Fessel.« Zareb Ibn Omduran goß sich eine kleine Tasse des öligen, schweren Kaffees ein. »Ich werde morgen nach Lübeck fahren. Du kannst es melden. Und du kannst dem General sagen, daß die Frau nicht fahren wird.«
Eine Weile lag Schweigen in dem halbdunklen Zimmer. Kaffeeduft und Honigsüße durchzogen die Luft.
»Und das Kind?« fragte der Besucher. Zareb reichte ihm das Mundstück der Wasserpfeife.
»Weiß ich es? Man muß abwarten, Freund. Im schlechtesten Falle …«, er blies den Rauch gegen die Decke. »Der Schoß einer Frau ist fruchtbar und trägt nicht nur einmal. Wir sollten nicht soviel denken, sondern unserem Vaterland dienen.«
Am nächsten Morgen brummte der alte VW des Baumwoll- und Zwiebelimporteurs Zareb Ibn Omduran über die Autobahn nach Lübeck.
Ein Ungeheuer ohne menschliches Gefühl war auf dem Weg, das Leben Birgit Brockmanns zu vernichten.
*
Konrad Gerrath hatte sich bereit erklärt, Birgit nach Hamburg zu begleiten, um die rätselhaften Widersprüche zwischen Todesnachricht und Totenschein zu klären. Während auf der entgegengesetzten Autobahnseite Zareb Ibn Omduran nach Lübeck fuhr, raste der große Wagen Gerraths der Nordseeküste und der Elbe zu.
Die Zweifel am Tod Alf Brockmanns waren immer größer geworden. Nach Birgits Erwachen aus der tiefen Ohnmacht, in die sie nach der gewaltsamen Öffnung der Urne gefallen war, fand sie sich auf der Couch wieder. Zuraida saß neben ihr, trank ein Glas Wasser und hatte ihr die Bluse aufgeknöpft. Wieder überfiel Birgit das kalte Grauen, als ihr erster Blick auf die Urne fiel, die noch immer auf dem Tisch stand. Der Gedanke, daß vor wenigen Minuten das, was von Alf Brockmann übriggeblieben war, als grauer Aschenhaufen auf der Tischplatte gelegen hatte, lähmte alles an ihr. Selbst sprechen konnte sie nicht. Sie starrte Zuraida nur mit großen flehenden Augen an.
»Können Sie aufstehen?« fragte das Mädchen aus Tel Aviv und legte den Arm unter Birgits Hals.
Birgit schüttelte den Kopf. Sie versuchte, die Beine zu bewegen. Es war, als gehörten sie gar nicht zu ihrem Körper.
»Der Schock war zu groß.« Zuraida ging zu einem kleinen Tisch, rauchte eine Zigarette an und kam mit ihr zurück. Sie steckte sie Birgit zwischen die zitternden Lippen. Als Birgit husten mußte, löste sich der innere Krampf. Sie hob die rechte Hand und krallte sie in Zuraidas Kleid.
»Es … es war furchtbar«, stammelte sie.
»Gewiß.« Zuraida rauchte die Zigarette weiter und blies den Rauch gegen die Decke. »Aber auch wenn es die Asche eines Menschen ist – ich glaube nicht, daß es sich um Ihren Mann handelt.«
»Aber warum … warum denn«, stotterte Birgit. Sie spürte, wie sich das Zimmer wieder um sie zu drehen begann. Mit letzter Kraft stemmte sie sich gegen die neue Ohnmacht und atmete ein paarmal tief durch.
»Was wissen Sie von Ihrem Mann?« fragte Zuraida.
»Daß er in Ägypten einen Forschungsauftrag hat.«
»Und daß er Raketen entwickelt, die einmal unser Land und unser Volk auslöschen sollen …«
»Nein!« sagte Birgit Brockmann schwach.
»Ihr Mann entdeckte einen neuen Treibstoff, mit dem man Raketen mühelos über Tausende von Kilometern schießen kann. Es ist ein Treibstoff, der den Raketenbau auf den Kopf stellt. Früher brauchte man vier Fünftel der Rakete für den Treibstoff, und nur ein Fünftel war für die eigentliche Sprengladung. Dank Ihres Mannes kann man jetzt vier Fünftel Sprengladung laden und für den Antrieb nur einen kleinen Raum ausnutzen. Was das bedeutet, ahnen Sie. Man wird Raketen schießen können, von denen eine einzige genügt, um Haifa oder Tel Aviv oder ein ganzes Kibbuzgebiet restlos zu vernichten.« Zuraida nahm beide Hände Birgits. Sie waren eiskalt. »Begreifen Sie nun,
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