Nächte am Nil
Laken.
»Sie sind ein guter Kerl, Lore«, sagte er traurig. »Ich danke Ihnen.«
»Ich habe Angst um Sie«, antwortete sie leise.
»Angst?«
»Man darf Sie jetzt nicht allein lassen. Sie wären dazu fähig, eine Dummheit zu begehen.«
»Jetzt nicht mehr, Lore.« Brockmann schüttelte müde den Kopf. »Am Tage, als Assban mir die Nachricht brachte, da war ich fast soweit, das Leben wegzuwerfen. Aber dann dachte ich an Jörgi. Im letzten Moment. Ich hielt schon die Pistole in der Hand. Und ich habe mir überlegt, daß es mein Ziel sein sollte, zurück nach Deutschland zu gehen und mich um mein Kind zu kümmern. Ich will meine Aufgaben hier abbrechen.«
»Weiß General Assban das schon?«
»Nein. Ich werde um meine Entlassung bitten.«
»Und wenn sie uns nicht weglassen?«
Brockmann ging zur Tür. Am Schwimmbecken hatte Aisha die geflochtenen Sandalen ausgezogen und die Beine in das Wasser gesteckt. Sie ließ sie hin und her pendeln und hatte ein kindliches Vergnügen dabei.
»Wir sind keine Gefangenen, Lore«, sagte Brockmann.
»Aber ich habe das Gefühl, Chef, daß wir auch keine Freiheit mehr haben …«
Als Brockmann in den Garten trat, sah er Aisha nicht mehr am Beckenrand. Nur ein kleines Bündel Kleider lag zusammengeknüllt im Mondschein. Dafür schwamm wie schwarzer Tang ihr langes Haar durch das Wasser. Ab und zu blinkte eine nackte Schulter auf, zwei Arme, helle Fußsohlen … fast ohne Laut, wie eine schwimmende, durch das Wasser gleitende Schlange bewegte sich Aisha im Schwimmbecken.
Brockmann trat aus dem Schatten der Büsche. Aisha sah ihn, winkte unbefangen aus dem Wasser, schwamm mit schnellen Stößen zur Einstiegsleiter und kletterte aus dem Becken. Sie war nackt, und als der Mondschein über ihren nassen, braunen, herrlichen Körper fiel, war er wie aus frisch gegossener Bronze. Die langen Haare klebten an ihm und lösten ihre Nacktheit in Streifen auf. Wie eine getigerte Katze kam sie lautlos auf Brockmann zu und hielt ihm ungeniert ihre wassertriefende Hand hin.
»Guten Abend, Oulf.« Ihre samtweiche Stimme war wie ein Streicheln. »Du hast vergessen die arme Aisha? Es sind sieben Tage um.«
Brockmann nickte. »Es stimmt. Ich habe nicht mehr an dich gedacht, Aisha.«
»Aisha ist sehr traurig.« Sie setzte sich zu seinen Füßen auf die Beckeneinfassung und stützte den Kopf in beide Hände. Von ihrem nackten Körper lief das Wasser in kleinen Rinnsalen ins Becken zurück. Einen Griff weiter lagen ihre Kleider, aber sie zog sie nicht heran, sondern blieb entblößt, als sei das selbstverständlich. »Hast du mit General gesprochen?«
»Nein. Ich …« Brockmann wandte sich ab. Ihn irritierte die nackte Nähe des Mädchens. »Meine Frau ist tot«, sagte er heiser.
»Deine schöne, stolze Frau mit den goldenen Haaren?«
»Ja.«
»Allah wird sie liebhaben, wenn sie in den siebenten Himmel kommt.«
»Das hast du schön gesagt, Aisha.« Brockmann biß die Zähne zusammen. Das Gefühl, weinen zu müssen, stieg wieder in ihm hoch. Er zuckte zusammen, als Aishas nasse Hand sein Bein berührte.
»Jetzt brauchst du mich erst recht, Oulf«, sagte sie und streichelte seinen Fuß. Ihre Unterwürfigkeit, der Samtton ihrer Stimme, ihre kalte, nasse Hand, ihre nackte Nähe, diese Körperlichkeit zu seinen Füßen machte ihn unsicher. Aber sie war wie eine plötzlich heilende Medizin. Der fürchterliche innere Druck, der seit der Nachricht von Birgits Tod nicht mehr aus ihm gewichen war, verflüchtigte sich wie Gas, das einen Ausweg gefunden hatte. Der große Schmerz, der ihn lähmte, löste sich auf. Die Verzweiflung fiel von ihm ab, die Ausweglosigkeit, in der er glaubte, zu verharren; die völlige Hilflosigkeit gegenüber dem Schicksal; alles, was in den letzten beiden Tagen sein Herz wie mit Eisenklammern umschlossen hielt, wurde plötzlich gegenstandslos. Er wandte sich um und sah Aisha an, und er sah auch ihre nackte Schönheit, ohne sich innerlich dagegen zu wehren.
Aisha verstand seinen Blick. Ihr ausgeprägter weiblicher Instinkt spürte es. Sie strich die Haare zurück von ihrem schlanken Körper und legte sie auf den Rücken. Über die festen Brüste glitt der Mondschein.
»Hat dich jemand gesehen?« fragte Alf Brockmann.
»Nein, Oulf. Ich bin über die Mauer geklettert. Ich weiß, daß niemand von uns hier herein darf. Aber in Bir Assi schläft schon alles.« Sie legte den Kopf in den Nacken. Als sie lachte und die Lippen ihre weißen Zähne freigaben, sprang etwas Raubtierhaftes
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