Nächte am Nil
schreienden und um Allahs Fluch flehenden Major Saduk. »Einen Graben müssen wir ziehen!« rief er. »Lassen Sie alles, was Hände hat, graben! Und die Dächer mit Wasser besprengen!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, hetzte er erneut zum Stolleneingang. Dort stand noch immer Jussuf, klein, krummbeinig, wie von der Hitze zusammengeschrumpft. Neben ihm standen jetzt zwei Ledereimer mit Wasser. Zwei Eimer Wasser für eine auf ihn zukommende Feuerwand.
Durch die Flammen rannten jetzt Soldaten mit Spaten, Schaufeln, Hacken und sogar zwei Pflügen. Ein Offizier mit einem Trupp, der eine Handsaugspritze trug, besprengte das brennende Gras. Über eine Kette von Händen flogen die Eimer zu der einsamen Spritze. Zischen, und Qualm quoll auf, aber um den Trupp herum brannte das Gras weiter.
Major Saduk tauchte wieder auf. Er war außer sich. Die Bauern von Bir Assi weigerten sich, zu helfen. »Das ist Allahs Fluch!« schrien sie und liefen weg, wenn sie zupacken sollten. Sie verrammelten die Türen ihrer Häuser, und die Soldaten mußten sie auftreten und sich mit Gewalt die Schaufeln und Hacken, die Eimer und Krüge holen.
In ihrem verfallenen Haus, unter das faulende Stroh gekrochen, lag Aisha und gab mit zitternden Fingern den letzten Funkspruch durch.
»– Gamma eins – Gamma eins – Gamma eins – Auftrag 2 ausgeführt – Ende – Gamma eins – Gamma eins – Gamma eins …«
Dann versteckte sie das kleine Funkgerät wieder und hockte sich gegen die bröckelnde Wand.
Ihm wird nichts geschehen, dachte sie. Ich habe ihn aufgehalten, bis der Zeitzünder der Bombe detonierte. Nie soll ihm etwas geschehen. Nie. Ich liebe dich, du großer, blonder Oulf …
Eine neue Explosion ließ die Erde beben. Die Flammenwand hatte zwei Benzintanks erreicht.
Nun flossen zwanzigtausend Liter brennendes Benzin und Dieselöl über den Wüstenboden. Eine lodernde, in schwarze Wolken gehüllte Hölle wälzte sich auf Jussuf und Alf Brockmann zu.
»Allah sei uns gnädig«, sagte Jussuf gläubig und verneigte sich nach Osten. Für ihn hatte das Leben aufgehört.
Zweihundert Soldaten schaufelten und gruben wie die Irren. Das Wasser aus den Eimern wurde nun nicht mehr auf das Gras geschüttet, sondern man begoß die Soldaten damit, um die glühende Hitze erträglich zu machen und die fliegenden Funken auf den Uniformen zu löschen.
»Schneller, ihr Mißgeburten!« schrie Major Saduk. »Schneller! In die Hölle kommt ihr sowieso, aber ihr könnt das Leben verlängern! Schneller, ihr Söhne einer Hyäne!«
Der Himmel über Bir Assi war glutrot. Wer es von ferne sehen konnte, mußte an ein geheimnisvolles Naturschauspiel glauben, denn dort, wo der Himmel brannte, wußte man ja nichts von einem Leben, sondern dort konnte nur Sand sein, Sand … unendlicher Sand.
Aber niemand sah es bis auf ein paar Beduinen, die am Fuße einer Sanddüne übernachteten. Und sie verstanden es nicht.
In dieser Nacht kämpften zweitausend Menschen um ihr nacktes Leben.
*
Zareb Ibn Omduran war ein bescheidener, immer höflicher, gerngesehener und sogar ehrlicher Kaufmann. Er hatte im Hamburger Hafen ein bescheidenes Lagerhaus und in der Stadt ein Büro, importierte ägyptische Rohbaumwolle und ägyptische Riesenzwiebeln, fuhr einen alten VW und fiel nie durch lautes Wesen auf. Er war ein grauer Punkt in der Millionenmasse der Hamburger Bürger, bezahlte deutsche Steuern, saß abends vor dem Fernsehgerät, ging ab und zu aus, erst in ein Speiselokal, dann in ein Varieté und am Ende in eine Bar, trank überall als strenger Gläubiger nur Apfelsaft oder Limonade, suchte sich ein käufliches Mädchen aus und vergnügte sich. Warum auch nicht? Er war Junggeselle, und Mohammed verbot vieles, nur die Liebe nicht. Im Gegenteil, ihr widmete er die Mehrzahl seiner Suren. Und so lebte Zareb Ibn Omduran geruhsam und unauffällig, verdiente leidlich an Baumwolle und Zwiebeln und hatte wenig Freunde, weil er ein stiller, verschlossener Mensch war.
Ab und zu empfing er den Besuch eines Landsmannes, der einen Laden für ägyptisches Kunsthandwerk betrieb. Sie saßen dann zusammen, rauchten Wasserpfeife, aßen mit Honig gefülltes Schmalzgebäck und tauschten Erfahrungen aus.
Auch an diesem Abend kam der Freund zu Besuch. Er brachte einige Papiere mit, und Zareb blätterte sie durch, während der Besucher heißen Kaffee mit Honig trank.
»Es ist eine dumme Sache, wirklich«, sagte Zareb, als er die Papiere zurückgab. »Diese Frau glaubt einfach nicht, daß ihr Mann
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