Naechtliches Schweigen
des Zimmers begann eine hochgewachsene Brünette sich langsam auszuziehen. Stevie, der Leadgitarrist, schluckte Valium wie Bonbons. »Hör mal, ich weiß, dass wir es für das Beste gehalten haben, wenn du zu Hause bleibst, aber das war ein Irrtum. Ich brauche dich hier, bei mir.«
Bev war nach Lachen und Weinen zugleich. »Du willst, dass ich nach Amerika komme?«
»So schnell wie möglich. Du triffst uns in New York, in - Scheiße, Johnno, wann sind wir eigentlich in New York?«
Johnno, auf einer Couch ausgestreckt, schenkte sich den letzten Rest Jim Beam ein. »Wo zum Teufel sind wir jetzt?«
»Egal.« Brian rieb sich die brennenden Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Zuviel Schnaps, zuviel Rauch. »Pete kümmert sich um alles. Du brauchst bloß zu packen.«
Sie war bereits aus dem Bett gesprungen. »Und was mache ich mit Emma?«
»Bring sie einfach mit.« Erfüllt von Familiensinn, grinste Brian die Blondine an. »Pete besorgt ihr einen Paß. Heute nachmittag ruft dich jemand an und sagt dir, was zu tun ist. Himmel, ich vermisse dich so, Bev.«
»Ich vermisse dich auch. Wir kommen so schnell wie möglich. Ich liebe dich, Bri, über alles.«
»Ich liebe dich auch. Und bald hab' ich dich wieder.«
Im selben Moment, in dem er den Hörer auflegte, griff Brian nach der Brandyflasche, um seine innere Unrast zu betäuben. Er brauchte Bev jetzt, sofort. Allein ihre Stimme hatte ihn erregt.
Sie hatte genauso geklungen wie in jener Nacht, in der er sie kennengelernt hatte, schüchtern und etwas zögernd. Sie hatte so gar nicht in die verräucherte Kneipe gepasst, in der er aufgetreten war. Und doch hatte sich hinter ihrer Schüchternheit etwas Starkes, Verlässliches verborgen. Sie war ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
Er hob die Flasche und nahm einen tiefen Zug. Anscheinend wollten sich Stevie und die Brünette nicht die Mühe machen, sich zum Liebesspiel in eines der Schlafzimmer zurückzuziehen. Die Blondine hatte von Johnno abgelassen und rieb ihren schlanken Körper nun an P. M., dem Drummer.
Halb belustigt, halb neidisch nahm Brian einen weiteren Schluck. P. M. war gerade einundzwanzig, mit einem runden, jugendlichen Gesicht und Aknepickeln am Kinn. Als die Blondine ihr Gesicht in seinem Schoß vergrub, schien er erfreut und entsetzt zugleich.
Brian schloss die Augen und nickte ein, den Kopf noch immer voll von Musik.
Er träumte von Bev und ihrer ersten gemeinsamen Nacht. Sie hatten in seiner Wohnung am Boden gesessen, ernsthaft über Musik und Poesie geredet und dabei einen Joint hin- und hergehen lassen. Er hatte nicht gemerkt, dass dies ihre erste Erfahrung mit Drogen gewesen war, genau wie er erst, als er in sie eingedrungen war, mitten auf dem Boden bei Kerzenlicht, festgestellt hatte, dass es zugleich auch ihre erste sexuelle Erfahrung war.
Sie hatte ein wenig geweint, aber statt sich deswegen schuldig zu fühlen, hatte er nur den Wunsch verspürt, sie zu beschützen. Er hatte sich vollkommen und auf eine fast poetisch zu nennende Weise verliebt. All das lag nun mehr als ein Jahr zurück, und seitdem hatte er keine andere Frau mehr angerührt. Immer wenn er in Versuchung geriet, sah er Bevs Gesicht vor sich.
Die Heirat war ein Geschenk an sie und das Kind, sein Kind, das sie trug, gewesen. Er hielt nichts von der Ehe – der Dummheit, Liebe vertraglich zu besiegeln aber er empfand sie auch nicht als Falle. Doch in Bev hatte er zum ersten mal seit seiner elenden Kindheit etwas außer der Musik gefunden, was ihn beruhigte und zugleich erregte.
Ich liebe dich über alles.
Nein, er konnte das nicht so ernst und aufrichtig zu ihr sagen wie sie zu ihm. Vielleicht würde er das nie können. Doch er liebte, und die Liebe machte ihn loyal.
»Komm schon, mein Junge.« Ohne ihn völlig aufzuwecken, zog Johnno Brian auf die Füße. »Du gehörst ins Bett.«
»Bev kommt, Johnno.«
Mit hochgezogenen Brauen musterte Johnno das Gewirr von Körpern im Raum. »Soso.«
»Sie trifft uns in New York. Wir gehen nach New York, Johnno. Gottverdammtes New York! Weil wir die Größten sind!«
»Na prima.« Mit einem leisen Grunzen verfrachtete Johnno Brian ins Bett. »Schlaf dich aus, Bri. Morgen geht die Ochsentour von vorne los.«
»Muss Pete wecken«, murmelte Brian, als Johnno ihm die Schuhe auszog. »Paß für Emma. Muss mich um sie kümmern.«
»Ja, ja.« Leicht schwankend - sein Tribut an den Jim Beam - blickte Johnno auf seine neu erworbene Schweizer Uhr. Pete würde nicht begeistert
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