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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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wissen, wer wir sind.«
    »Warum nicht?«
    »Das erkläre ich dir später.« Erleichtert registrierte Bev, dass sie endlich an der Reihe waren.
    Emma spürte mit Entsetzen den Druck auf ihren Ohren, begleitet von aufsteigender Übelkeit. Sie biss sich auf die Lippen, schloss die Augen und wünschte verzweifelt ihren Vater herbei.
    Wäre sie doch bloß nie hergekommen, oder hätte sie wenigstens Charlie als Trost mitgebracht! Mit aller Inbrunst, zu der eine Dreijährige fähig war, betete sie, dass sie ihr wunderbares Frühstück nicht über ihre neuen Schuhe erbrechen müsse.
    Der Fahrstuhl stand still, die Türen gingen auf, und die Menge drängte lachend und durcheinander redend hinaus. Emma hielt sich eng an Bev und kämpfte immer noch mit der Übelkeit.
    Sie blickte auf einen mit Souvenirs überladenen Stand und auf riesige Panoramafenster, durch die der Himmel und die Gebäudekulisse von Manhattan zu sehen waren. Überwältigt blieb sie stehen, während sich die Menge verteilte, und die Übelkeit verwandelte sich in Staunen.
    »Das ist schon sehenswert, was, Emma?«
    »Ist das die ganze Welt?«
    Obwohl sie genauso beeindruckt war wie Emma, lachte Bev. »Nein, nur ein kleiner Teil davon. Komm mit, gehen wir nach draußen.«
    Der Wind pfiff über sie hinweg und zerrte so stark an Emmas Rock, dass sie zurücktaumelte. Eher aufgeregt als verängstigt, spürte sie, dass Bev sie am Ärmel packte.
    »Wir sind ganz hoch über der Welt, Emma.«
    Beim Blick über das hohe Geländer tanzte Emmas Magen auf und ab. Die Welt lag unter ihr wie ein Spielzeugland, in dem Spielzeugautos und Busse ihren Weg verfolgten und die Häuser und Straßen eine Miniaturlandschaft bildeten.
    Bev ließ sie durch eines der großen Fernrohre schauen, aber Emma bevorzugte die Aussicht, die sich ihren eigenen Augen bot.
    »Können wir nicht hier wohnen?«
    Bev hantierte an dem Fernrohr, bis sie die Freiheitsstatue im Bild hatte. »Hier, in New York?«
    »Nein, hier oben.«
    »Hier wohnt niemand, Emma.«
    »Warum nicht?«
    »Weil das eine Touristenattraktion ist«, gab Bev abwesend zurück. »Und eines der Wunder unserer Welt. In einem Wunder kann man nicht wohnen.«
    Doch Emma schaute über das hohe Geländer und dachte, dass sie das wohl könnte.
    Das Fernsehstudio imponierte Emma nicht besonders. Es erschein ihr längst nicht so groß und prächtig wie auf dem Bildschirm, und sie fand die Leute durchschnittlich. Doch die Kameras hatten es ihr angetan. Sie waren mannshoch und ausladend, und die Leute dahinter schienen bedeutend. Emma fragte sich, ob der Blick durch diese Kameras dem Blick durch das Fernrohr auf dem Empire State Building glich.
    Noch ehe sie Bev diese Frage stellen konnte, begann ein klapperdürrer Mann mit lauter Stimme und dem ausgeprägtesten amerikanischen Akzent, den sie bislang vernommen hatte, zu sprechen. Von dem, was er sagte, konnte sie nur die Hälfte verstehen, aber sie schnappte das Wort >Devastation< auf. Dann brach eine Hölle an Geschrei los.
    Nach dem ersten Schrecken löste sich Emma von Bev und lehnte sich vor. Obwohl ihr der Grund für das Gekreische nicht einleuchtete, war ihr doch klar, dass es keinen Anlass zur Furcht gab. Sie hörte den begeisterten Lärm der Jugend, der zur Decke emporstieg und von den Wänden widerhallte. Er brachte sie zum Grinsen, obwohl Bevs Hand in der ihren leicht zitterte.
    Ihr gefiel die Art, wie sich ihr Vater gleich einem Rad schlagenden Pfau über die Bühne bewegte und seine klare, volle Stimme sich abwechselnd mit der Johnno oder Stevies vermischte. Unter dem hellen Scheinwerferlicht glänzte sein Haar wie pures Gold. Emma war ein Kind, und als ein solches vermochte sie die Magie des Augenblicks zu erkennen.
    Solange sie lebte, würde sie das Bild der vier jungen Männer in ihrem Gedächtnis und ihrem Herzen bewahren, wie sie da auf der Bühne standen und in Licht, in Glück und Musik getaucht schienen.
    Dreitausend Meilen entfernt saß Jane in ihrer neuen Wohnung. Auf einem Tischchen in Reichweite befanden sich ein Glas Gin sowie eine Unze kolumbianisches Gras. Dutzende von Kerzen brannten und versetzten sie, zusammen mit den Drogen, in eine verklärte Stimmung. Brians reiner Tenor klang aus der Stereoanlage.
    Von dem Geld, das Brian ihr gegeben hatte, war sie nach Chelsea gezogen. Dieses Viertel wimmelte von jungen Künstlern - Musikern, Dichtern, Schauspielern und ihrem Gefolge. Sie hatte gehofft, hier in Chelsea einen zweiten Brian zu finden, einen Idealisten mit schönem

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