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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sein, zu dieser Stunde aufgeweckt zu werden, aber es ließ sich nicht vermeiden.

4 .
    Emma war von New York begeistert. Nach einem verspäteten Frühstück, bestehend aus Törtchen mit Erdbeermarmelade, ließ Brian sie in Bevs Obhut zurück. Doch diesmal machte ihr das nichts aus. Papa würde heute nacht im Fernsehen auftreten, und er hatte ihr versprochen, dass sie bei den Aufnahmen zuschauen dürfe.
    In der Zwischenzeit fuhr sie mit Bev in dem großen weißen Auto in der Stadt herum, und Emma amüsierte sich über Bevs blonde Perücke und die riesige Sonnenbrille mit den runden Gläsern. Ihre Begeisterung wirkte so ansteckend, dass Bev lächeln musste. Emma liebte es, die Menschenmenge zu beobachten, die sich drängelnd über die Gehwege schob und, begleitet von wütenden Hupkonzerten, die Kreuzungen passierte. Da gab es Frauen in kurzen Röcken und hochhackigen Pumps, deren hochaufgetürmte Frisuren steinernen Skulpturen glichen. Andere wiederum waren mit Jeans und Sandalen bekleidet, und ihre langen, glatten Mähnen flössen ihnen wie geschmolzene Seide über den Rücken. An jeder Ecke boten Straßenverkäufer Hot Dogs, Limonade und Eis an, auf das sich die Fußgänger gierig stürzten. In der Abgeschiedenheit der kühlen Limousine bemerkte man die schweißtreibenden Außentemperaturen kaum. Die Luft vibrierte vor einer nervösen Erregung, die Emma zwar nicht verstand, jedoch genoss.
    Unberührt von alldem hielt der Fahrer, der in seiner lehmfarbenen Uniform und dem Hut mit der steifen Krempe ein schmuckes Bild bot, den Wagen an. Er persönlich hielt nicht viel von Musik, außer des handelte sich um Frank Sinatra oder Rosemary Clooney, aber er war sicher, dass seine beiden halbwüchsigen Töchter vor Freude außer sich sein würden, wenn er ihnen am Ende dieses Zwei-Tage-Jobs einige Autogramme mit nach Hause brächte.
    »Wir sind da, Madam.«
    »Oh.« Geistesabwesend starrte Bev aus dem Fenster.
    »Das Empire State Building«, erläuterte der Fahrer mit großer Geste. »Soll ich Sie in einer Stunde wieder abholen?«
    »Ja, in einer Stunde.« Bev nahm Emma fest an die Hand, als der Fahrer die Tür aufriss. »Komm, Emma. Nicht nur Devastation kommt ganz nach oben.«
    Vor den Fahrstühlen hatte sich eine lange Schlange gebildet. Sie stellten sich hinten an, wobei sich ihnen zwei Leibwächter unauffällig an die Fersen hefteten, und wurden bald von der Menge verschluckt. Direkt hinter ihnen kam eine Gruppe französischer Studenten, alle mit Einkaufstaschen von Macy's beladen, die in ihrer raschen, melodischen Sprache durcheinander schnatterten. Babys greinten, Kinder quengelten. Aus der Duftwolke von Schweiß, Parfüm und nassen Windeln stieg Emma ein süßlicher Marihuanageruch in die Nase, aber niemand sonst schien ihn wahrzunehmen oder sich dafür zu interessieren. Sie wurden in einen Fahrstuhl geschoben.
    Endlose Minuten später wurden sie wieder freigegeben, um erneut zu warten. Emma störte sich nicht daran. Solange Bev sie sicher an der Hand hielt, konnte sie sich den Hals nach all den Leuten verrenken. Glatzen, Schlapphüte, wunderliche Bärte. Als ihr der Hals steif wurde, beschäftigte sie sich mit den Schuhen. Da gab es Schnürsandalen, glänzende Lackschuhe, schneeweiße Turnschuhe oder schwarze Pumps. Einige Leute scharrten mit den Füßen, andere tippten mit der Fußspitze auf den Boden, ein paar traten von einem Bein auf das andere, aber kaum jemand stand still.
    Als sie des Spielchens müde wurde, lauschte sie nur noch den Stimmen. Eine Gruppe junger Mädchen ganz in der Nähe diskutierte heiß. Emma beneidete die Teenager sofort.
    »Stevie Nimmons ist der süßeste Typ überhaupt«, beharrte eines der Mädchen. »Er hat so schöne braune Augen, und dann dieser Schnurrbart!«
    »Nein, Brian McAvoy«, korrigierte eine andere. »Er ist absolut Spitze.« Um ihren Standpunkt zu unterstreichen, entnahm sie ihrem Portemonnaie ein aus einer Fachzeitschrift ausgeschnittenes Bild. Ein hingebungsvolles Stöhnen ertönte, als sich die Mädchen darum scharten. »Ich könnte sterben, wenn ich ihn nur ansehe.«
    Sie quietschten auf, und als sich die Leute nach ihnen umdrehten, dämpften sie ihr Gekicher mit den Händen.
    Erfreut und verblüfft zugleich, sah Emma zu Bev hoch. »Die Mädchen sprechen von Papa.«
    »Schtt!« Bev amüsierte sich zwar so über den Vorfall, dass sie Brian unbedingt davon erzählen wollte, aber sie trug Perücke und Sonnenbrille nicht ohne Grund. »Das weiß ich, aber niemand darf

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