Naechtliches Schweigen
Gesicht und zärtlichen Händen.
Wann immer ihr danach war, konnte sie in die Pubs gehen, der Musik lauschen und sich gelegentlich einen Begleiter für die Nacht aufgabeln.
Ihre Sechszimmerwohnung war mit nagelneuen Möbeln eingerichtet, ihr Kleiderschrank war mit Modellen aus den teuersten Boutiquen vollgestopft, und an ihrem Finger glitzerte ein protziger Diamantring, den sie vor einer Woche aus einer Laune heraus gekauft hatte. Er langweilte sie bereits.
Sie hatte angenommen, mit hunderttausend Pfund könnte sie die ganze Welt kaufen. Nun musste sie feststellen, dass große Summen genauso schnell dahinschwanden wie kleine. Das Geld würde zwar noch eine Weile reichen, aber ihr war rasch der Gedanke gekommen, dass sie Emma unter Preis verkauft hatte.
Er hätte auch das Doppelte bezahlt, dachte sie, als sie ihren Gin schlürfte. Sogar noch mehr, egal wie sehr sich dieser Hundesohn Pete dagegen gesträubt hätte. Brian hatte Emma haben wollen, Kinder waren nun einmal seine schwache Seite. Sie hatte das wohl gewusst, war aber zu dumm gewesen, das auszunutzen.
Lumpige fünfundzwanzigtausend im Jahr. Wie um alles in der Welt sollte sie davon leben?
Vom Gin schon leicht angeschlagen, drehte sie sich einen Joint.
Von Zeit zu Zeit nahm sie immer noch einen Freier mit zu sich, wobei ihr genauso viel an Gesellschaft wie an Extraeinnahmen lag. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass sie Emma so sehr vermissen würde. Im Verlauf der Wochen gewann der Begriff von Mutterschaft eine neue, emotionale Bedeutung.
Sie hatte das Kind geboren. Sie hatte stinkende Windeln gewechselt. Sie hatte ihr sauer verdientes Geld für Essen und Kleidung ausgegeben. Und jetzt erinnerte sich der kleine Fratz vermutlich nicht einmal mehr an ihre bloße Existenz.
Sie würde sich einen Anwalt nehmen. Mit Brians Geld könnte sie sich den besten leisten. Das wäre sozusagen ausgleichende Gerechtigkeit. Jedes Gericht der Welt würde ein Kind seiner Mutter zusprechen. Sie würde Emma zurückbekommen. Oder besser noch, sie würde mehr Geld bekommen.
Wenn sie sie erst mal ein wenig bluten ließ, würden Brian und seine hochnäsige zweite Frau sie nie mehr vergessen. Niemand würde sie mehr vergessen, nicht die verfluchte Person, nicht die dämliche Öffentlichkeit und erst recht nicht ihre eigene kleine Göre.
Mit diesem Gedanken holte sie ihre Schachtel mit Methedrin hervor, bereit abzuheben.
5
Emma hielt es fast nicht mehr aus. Draußen fiel ein unangenehmer Graupelschauer, doch sie presste ihr Gesicht weiter an die Scheibe in dem Versuch, etwas zu erkennen.
Bald würden sie kommen, hatte Johnno gesagt. Wohlweislich hatte sie es vermieden, ihn noch einmal zu fragen, wie bald denn nun, sonst hätte er sie angeraunzt. Doch sie konnte es kaum noch erwarten. Ihre Nase wurde kalt, und sie hüpfte von einem Bein auf das andere. Ihr Papa kam nach Hause, mit Bev und mit ihrem neuen Brüderchen. Darren. Der Name ihres Bruders war Darren. Sie flüsterte den Namen vor sich hin. Allein sein Klang ließ sie lächeln.
In ihrem Leben war noch nichts von solcher Bedeutung gewesen wie ein Bruder. Er würde ihr gehören, er würde sie brauchen, und sie würde ihn umsorgen, nach ihm sehen. Wochenlang hatte sie mit den Puppen, die nun ihr Zimmer füllten, geübt.
So wusste sie, dass man den Kopf sehr vorsichtig halten musste, damit er nicht nach hinten fiel. Und manchmal wachten Babys mitten in der Nacht auf und schrien nach Milch. Nachdenklich rieb Emma über ihre eigene flache Brust und fragte sich, ob Darren dort wohl Milch finden würde.
Man hatte ihr nicht erlaubt, ihn im Krankenhaus zu besuchen. Darüber hatte sie sich so aufgeregt, dass sie sich zum ersten mal, seit sie in ihrem neuen Heim lebte, in einem Schrank versteckt hatte. Sie war immer noch wütend, aber sie wusste, dass es die Erwachsenen wenig interessierte, ob ein Kind wütend war oder nicht.
Erschöpft vom langen Stehen, setzte sie sich in den Sessel am Fenster, streichelte Charlie und wartete.
Der stetig fallende Regen machte sie schläfrig, und sie dachte an Weihnachten. Zum ersten mal hatte sie einen Strickstrumpf mit ihrem Namen darauf am Kamin vorgefunden. Unter dem geschmückten Weihnachtsbaum hatten sich Geschenke getürmt; Spielzeug, Puppen in hübschen Kleidern und anderes mehr. Am Nachmittag hatten sie alle Memory gespielt, sogar Stevie. Er hatte vorgegeben zu schummeln, um sie zum Lachen zu bringen, und sie dann huckepack durch das ganze Haus getragen.
Danach hatte ihr
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