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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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keinen Ton. Wie bei Aufnahmen, die von Überwachungskameras stammen. Doch im Gegensatz dazu war die Position der Kamera nicht hochgelegen, sondern niedrig, als hätte ein Kind oder ein Zwerg sie aufgestellt.
    Der Ort war ein breiter, hoher Korridor. Womöglich ein Klinikflur. Das Geschehen war surreal.
    Mitten im Korridor war eine Klappleiter aufgebaut. Auf der Leiter stand ein Mann. Der Mann trug einen langen weißen Kittel, ähnlich einem Arztkittel. Und wie ein Arzt bei der Untersuchung hatte er sich die Bügel eines Stethoskops in die Ohren geklemmt. Er hielt den Schallkopf in der Hand und drückte ihn an die Decke des Korridors.
    Eine zweite Gestalt tauchte auf. Der Mann trat unvermittelt aus einem Seitengang ins Bild. Unschlüssig sah er erst in die eine Richtung, den Korridor hinab, dann in die andere, wo die Kamera und die Leiter mit dem Kittelträger standen.
    Ein Ausdruck der Verblüffung trat in die Miene des Mannes.
    Annika kannte das Gesicht. Sie traute ihren Augen nicht.
    Es war Kai.
*
    Verwundert und neugierig näherte Kai sich dem Mann im Medizinergewand, der dort auf der Leitersprosse balancierte und mit dem Stethoskop konzentriert auf irgendetwas Spannendes horchte.
    Was mochte er hören? Den Herzschlag, die Atmung, die Darmbewegungen des Gebäudes? Das Gehabe des Mannes verlieh dem Wort »Krankenhaus-Arzt« eine völlig neue Bedeutung!
    Erst als Kai fast direkt vor der Leiter stand, bemerkte der Mann ihn. Er machte eine erschrockene Bewegung, deren Plötzlichkeit ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Der Schallkopf fiel ihm aus der Hand und schlenkerte am Schlauch des Stethoskops vor seiner Brust, während der Mann wild mit den Armen ruderte. Dann kippte die Leiter, und Kai schaffte es gerade noch beiseitezuspringen, um nicht mitgerissen zu werden.
    Ein lauter Knall, ein Scheppern, und Mann und Leiter lagen vor Kai auf dem Boden.
    Der Mann stöhnte. Doch ehe Kai sich hinabbeugen und Hilfe leisten konnte, kam der Gestürzte bereits auf die Beine. Bevor er sich aufrichten konnte, musste er den Schallkopf des Stethoskops, dessen Bügel noch immer in seinen Ohren steckten, vom Gewicht der Leiter befreien. Jetzt fluchte er.
    »Sind Sie verletzt?«, fragte Kai reuevoll und hob die Brille des Verunglückten vom Boden auf, die wie durch ein Wunder unversehrt geblieben war.
    Der Mann rieb sich die Hüfte, rollte eine Schulter, griff sich ächzend in den Nacken. »Verletzt? Scheißegal. Das Adscope ist kaputt!«
    »Was meinen Sie?«
    »Mein Stethoskop«, blaffte der Mann und betrachtete wütend die Überreste des von der Leiter zerschmetterten Schallkopfs in seiner Hand. Mit der anderen Hand nahm er unbeholfen die Brille entgegen, und Kai bemerkte, dass die Hand, die rechte, verstümmelt war. Der Daumen fehlte.
    »Dies ist … nein: war ein elektronisches Stethoskop. Sauteuer.« Der Mann nahm die Bügel aus den Ohren und ließ das zerstörte Instrument in der Kitteltasche verschwinden. »So ein Ding dämpft externe Geräusche fast auf null und verstärkt die Geräusche, auf die es ankommt, um mehr als das Zwanzigfache. Und was ganz wichtig ist: Man kann die Geräusche aufzeichnen und speichern.«
    Er sah auf seine Armbanduhr und murmelte: »Noch zehn Minuten …« Enttäuscht erklärte er: »Von Mitternacht an wäre es richtig interessant geworden. Diese Gelegenheit bietet sich nur einmal in jedem Jahr. Jetzt könnte ich höchstens noch mit einem normalen Stethoskop weitermachen.«
    »Es tut mir furchtbar leid!«, beteuerte Kai lahm.
    »Wie hilfreich!«, ätzte der Mann, der nun sein Gegenüber zum ersten Mal genauer ansah. Dabei bemerkte er die bandagierte Braunüle an Kais Unterarm.
    »Was hat ein Patient überhaupt in diesem Winkel zu suchen? Und das auch noch mitten in der Nacht?«
    Die Worte brachten Kai auf den Gedanken, dass der Mann ihm den kürzesten Weg aus dem Krankenhaus ins Freie verraten konnte. Das hieß, nachdem Kai ihn davon überzeugt hatte, dass er kein Patient war. Und er bot die vielleicht letzte Chance, doch noch jemandem Annikas Fotografie zu zeigen. So gering die Hoffnung auch war, vielleicht hatte der Mann sie irgendwo im Krankenhaus gesehen.
    Ein Griff in die Hosentasche, und Kai hielt das Handy in der Hand.
*
    Annikas Blick klebte am Fernsehbildschirm. Sie sah, wie der Arzt Kais Handy ergriff und auf das Display schaute. Kai gab ihm eine Erklärung. Das konnte Annika aus seinen Gesten und den stummen Lippenbewegungen schließen.
    Der Arzt nickte, und auch seine Lippen formten

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