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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Ein am Korridorrand abgestelltes Elektromobil, an das zahlreiche rollende Stahlkästen angekuppelt waren, erklärte warum.
    »Hier riecht’s wie im Zoo«, bemerkte Kai irgendwann, während er mit seinem Führer Schritt hielt.
    »Wir sind jetzt in der Nähe der Tierversuchs-Labore«, sagte Dr. Leikart.
    Sie ließen den Zoogeruch hinter sich. Inzwischen war Kai klar, dass er ohne Hilfe nie mehr zum Aufzug zurückfinden würde. Sie durchquerten einen hohen Raum, in dem ein Berg schmutziger Krankenhauswäsche fast bis zur Decke emporwuchs. Blut, Kot, Kotze, Eiter, dachte Kai angeekelt.
    Bisher war jeder Gang und jeder Raum mehr oder weniger hell erleuchtet gewesen. Nun schob Dr. Leikart eine Rolltür aus Stahl beiseite, hinter der Finsternis lag.
    Leikart ging voran und tastete über die Wand. Er betätigte einen Schalter, und vereinzelte, scheinbar regellos verteilte Deckenleuchten flammten auf. Offenkundig waren etliche Lampen defekt. Doch die Streuung der Lampen an der Decke ließ erkennen, dass sie sich in einer weiten Halle befanden.
    Der untere Teil der Halle schien ein dunkles Labyrinth zu sein. Erst als Kai sich in Leikarts Gefolge hindurchtastete, gewahrte er, dass es sich bei dem Labyrinth um eine Ansammlung allen möglichen Klinik-Schrotts und –Gerümpels handelte. Wie planlos abgestellt, häuften sich hier die entsorgten Einrichtungen von Laboratorien, Patientenzimmern, Büros und OP-Sälen. In den dunklen Abschnitten, wo die Lampen den Dienst versagten, musste Kai sich höllisch vorsehen, damit er nicht stolperte oder schmerzhafte Zusammenstöße erlitt.
    Endlich verkündete Dr. Leikart: »Da wären wir.«
    Eine Schreibtischlampe flammte auf.
    »Ist das Ihr Arbeitsplatz?«, staunte Kai.
    »Mein zweiter, inoffizieller«, schmunzelte der Arzt.
    Inmitten der Schrotthalde hatte Leikart sich aus alten Büromöbeln einen Arbeitsraum geschaffen. Die Rückseiten aneinandergestellter Laborschränke bildeten die Wände. Auf einem ausrangierten Schreibtisch standen ein Computer und allerlei Gerätschaft. Der Drehstuhl wirkte fast wie neu. In einem schäbigen Aktenregal reihten sich Ordner und Bücher. Kai ließ den Blick über die Buchrücken wandern. Er hatte medizinische Werke erwartet. Stattdessen las er die Titel von Abhandlungen über Spukschlösser und Geisterhäuser und über Totennächte wie Halloween und Samhain.
    Die Verblüffung war ihm anzusehen, denn Dr. Leikart sagte: »Sie meinen wohl, dass derartige Forschungen nicht zu einem modernen Universitätsklinikum passen? Nun, deshalb bin ich damit ja auch in die Unterwelt des Klinikums verbannt.«
    »Sie glauben bislang nicht an Geister, stimmt’s?«, fuhr Leikart fort. »Dennoch – besinnen Sie sich einmal auf das, was Sie über die Natur von Geistern gelesen haben und über ihr Erscheinen. Vereinfacht gesagt, sind Geister ruhelose Tote, verdammte Seelen, die an die Orte ihrer irdischen Verfehlungen oder Leiden gebunden sind. Entweder ständig oder zu bestimmten, meist nächtlichen Zeiten. Mörder, Selbstmörder. Verbrechensopfer. Menschen, die vor dem Tod unvorstellbar gelitten haben. Aber an welchen Orten tötet, stirbt und leidet der Mensch im Alltag am häufigsten? In menschlichen Gemäuern! Daher gibt es so viele beglaubigte Geisterzimmer.«
    Kai ahnte, worauf das hinauslief. »Lassen Sie mich raten! In welchen Gemäuern wird am aller häufigsten gelitten und gestorben? In Krankenhäusern!«
    Dr. Leikart nickte. »Gelitten, gestorben und … gemordet.«
    Leikart ließ ein Spotlight aufflammen. Es war auf die weiß lackierte, metallische Rückwand eines der Laborschränke gerichtet, die das Büro eingrenzten. Von Haftmagneten gehalten, waren zahllose Zeitungsfotos und Ausdrucke daran befestigt.
    Dr. Leikart nahm ein Foto ab und reichte es Kai. Die Aufnahme zeigte das Gesicht einer lächelnden jungen Frau. Es war von halblangen rotbraunen Haaren umrahmt. Die Wangen und die Stupsnase waren von Sommersprossen übersät. Blaue Augen strahlten den Betrachter an.
    »Das ist Nanita Kesslew«, erläuterte Leikart. »Vor vierzehn Jahren hat sie als Krankenschwester auf der hiesigen Kinder-Krebsstation gearbeitet.«
*
    Die Dunkelheit im Krankenzimmer war geeignet, Annikas Grauen ins Unermessliche zu steigern.
    Sie hatte versucht, ihre Bettenplatzbeleuchtung einzuschalten, aber die Lampe war tot. Die Geräusche aus dem Nachbarbett, wo Frau Ircher sich in schweigender Beharrlichkeit aus den Fesseln zu befreien suchte, waren kaum auszuhalten. Und seit Schwester

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