Nahkampf der Giganten
ab, denn eben kam der Bootssteurer raschen Schrittes an den geschäftigen Matrosen vorbei, einen kleinen Mann, der ein flatterndes Hemd und nicht viel mehr am Leibe trug, hinter sich herziehend.
»Wer ist dieser Mann?« fragte Bolitho scharf.
Allday starrte kurz den wachsenden Haufen Zunder beim Vo rmast an und antwortete dann gelassen: »Er ist der Steuermannsmaat, der hier die Aufsicht hatte, Captain.« Er atmete tief. »Aber um ihn geht’s nicht. Da unten liegen über dreißig verwundete Franzosen. Der junge Mr. Seton spricht jetzt mit ihnen und beruhigt sie, so gut es geht.«
Bolitho drehte sich um und blickte zu der fernen
Saphir
hinüber.
»Schwer verwundet?« fragte er schließlich.
»Aye, Captain. Anscheinend Leute von der
Saphir.
Mr. Seton sagt, sie wollten morgen in See gehen und versuchen, die Blockade von Marseille zu durchbrechen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich glaube, manche werden den Morgen nicht mehr erleben.«
Erregt stieß Fowler hervor: »Also, das ist nicht zu ändern. Sie hätten ja bei den Breitseiten ebenfalls sterben können. Verbrennen ist ein ziemlich schneller Tod.«
Bolitho versuchte, seine rasenden Gedanken zu ordnen. Alldays Entdeckung kam wi e ein Schlag ins Gesicht. Er hatte mit allem nur Menschenmöglichen gerechnet: daß sie sich den Weg an Bord erkämpfen mußten, daß eine tüchtige Ankerwache oder Patrouille sie abschlug. Dann hätte die Gig von der anderen Flanke her eingreifen müssen oder hätte zumindest die Überlebenden in Sicherheit oder schlimmstenfalls in Gefangenschaft gebracht. Nun starrte er ratlos auf die emsig arbeitenden Matrosen. Der Magen drehte sich ihm um.
Fowlers Worte über die verwundeten Matrosen hatten ebenso etwas für sich wie seine eigenen: »… nicht so wertvoll wie das Leben unserer Leute«, hatte er gesagt. Der Plan, das wußte er, hätte geklappt. Wenn die Schaluppe erst einmal brannte, wäre sie wie ein Bote der Hölle auf den schlafenden Zweidecker zugetrieben. Die
Saphir
hätte ebenfalls in Brand geraten müssen, beide Schiffe wären bis zur Wasserlinie heruntergebrannt, und die Gefahr für Pomfrets Landung wäre beseitigt gewesen. Die Mannschaft der
Saphir
hatte Mut und Geschick im Gefecht bewiesen; aber müde Männer, die im sicheren Hafen erwachten, ihre Welt in Flammen stehen sahen und wußten, wenn das Feuer das Magazin erreichte, würden sie allesamt in die Luft fliegen, solche Männer konnten kaum noch Kampfeswillen aufbringen.
Plötzlich mußte er an Rooke und die Abteilung am Leuchtfeuer denken. Es mußte inzwischen in ihrer Hand sein, sonst wäre Alarm gegeben worden. Rooke würde schon nach Flammen Ausschau halten. Unterhalb der Landspitze warteten Inch und seine Männer, um die Sperre zu kappen. Dessen Aufgabe wäre die leichteste gewesen, denn kein Wachboot patrouillierte im Hafen, wenn das eigene Schiff verbrannte.
Tonlos sagte er: »Ich schicke keinen Menschen in einen solchen Tod.« Er sah Allday an. »Wie stark war die Ankerwache?«
»Sieben Mann, Captain«, entgegnete Allday. »Ich hab’ sie wie befohlen gefesselt, nur einen mußten wir niederschlagen.« Unsicher fuhr er fort: »Niemand kann Ihnen einen Vorwurf machen, Captain. Wenn’s andersrum wäre – bestimmt würden die Sie lebendig braten.«
Ernst blickte Bolitho ihn an. »Solche Vermutungen helfen mir wenig.« Er sah zum Himmel auf. Es klarte rasch auf, und nach Osten zu standen die Sterne wie ein Stickereimuster überm Horizont. Irgendwo da draußen kreuzte Herrick und hielt sorgenvoll Ausschau nach dem Leuchtfeuer, das ihn in den Hafen leiten sollte, ehe der Morgen graute; denn sobald es hell wurde, war er nackt und schutzlos.
Er faßte einen Entschluß. »Schafft die Leute an Deck. Die Schaluppe hat zwei Boote, und wir nehmen auch noch eins von unseren.« Er sprach sehr rasch, wie um sich selbst zu überzeugen.
»Schont sie soweit wie möglich, aber beeilt euch, um Gottes willen!« Er erwischte Piper beim Ärmel. »Sie, mein Junge, haben die Aufsicht beim Ausbooten. Auf der
Hyperion
haben Sie das oft genug gemacht; aber diesmal muß es ohne jedes Geräusch vor sich gehen!«
Piper nickte und rief im Wegeilen ein paar Namen. Bolitho sah ihm nach, bis die Finsternis den kleinen Kerl verschluckt hatte, und fühlte sich seltsam bewegt. Dann riß er sich aus seiner Bedrücktheit und wandte sich an Fowler. Es hatte keinen Zeck, in Midshipmen nur sechzehnjährige Knaben zu sehen. Sie waren Offiziere des Königs, und es war weder möglich noch
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