Nahkampf der Giganten
Komplikation in seiner Karriere geistig zu verarbeiten, und befahl: »Weitermachen, Allday!«
Kaum vernahm er das Getriller der Pfeifen und das grobe Kommandogebell; erst als die Gig von der Fregatte klargekommen war und dem Druck der Riemen mit schäumender Bugwelle durch das ruhige Wasser des Hafens glitt, gönnte er sich einen weiteren Blick auf sein neues Schiff.
Allday folgte seinen Augen und sagte gleichmütig: »Na, da ist sie ja wieder, Captain. Die alte
Hyperion.«
Während die kleine Gig stetig über das blaue Wasser zog, konzentrierte sich Bolitho auf die vor Anker liegende
Hyperion.
Allday hatte seine Bemerkung vielleicht ganz gedankenlos hingeworfen; aber seine Worte schlugen eine andere Saite in Bolithos Gedächtnis an, und er betrachtete es nicht mehr als bloßen Zufall, daß er jetzt aufs neue mit diesem alten Schiff zusammentraf.
Die
Hyperion
war tatsächlich ein alter Kasten: vor einundzwanzig Jahren hatte ihr Kiel zum erstenmal Salzwasser geschmeckt; es war also logischerweise unvermeidbar, daß er sie ab und zu wieder zu Gesicht bekam, da ihn sein Dienst ständig von einem Teil der Welt zum anderen führte. Aber immer, wenn er seelisch und körperlich die Grenze seiner Kräfte erreicht hatte, war dieses alte Schiff irgendwo in der Nähe gewesen. Bei den blutigen Seeschlachten in der Chesapeake Bay und bei den Saintes, als seine eigene geliebte Fregatte fast zum Wrack geschossen wurde, hatte er ihren stumpfen Bug sich durch den dichtesten Pulverdampf schieben sehen; aus ihrem Rumpf blitzte Kanonenfeuer, ihre Segel hatten Löcher wie Pockennarben, doch mit aller Macht hielt sie ihren Platz in der Gefechtslinie.
Bolitho kniff die grauen Augen zusammen. Die Sonnenreflexe auf dem Wasser warfen ein Muster aus tanzenden Lichtern an die hohe Bordwand. Er wußte, daß die
Hyperion
mehr als drei Jahre lang ständig im Dienst gewesen war. Soeben kam sie aus Westindien, und die Wogen der Hoffnung auf rasche Abmusterung und wohlverdiente Ruhe für Schiff und Mannschaft gingen hoch.
Aber während die
Hyperion
majestätisch in friedlichen Geschäften unter der karibischen Sonne gesegelt war und Bolitho in seinem Haus in Falmouth verzweifelt gegen das verzehrende Fieber gekämpft hatte, sammelten sich wiederum die Kriegswolken über Europas Himmel und verdichteten sich. Die blutige Revolution in Frankreich wurde auf der anderen Seite des Kanals zuerst mit nervöser Schadenfreude beobachtet – es war verständlich, daß die Engländer recht zufrieden zusahen, wie ein alter Feind von innen heraus geschwächt wurde, ohne daß es sie etwas kostete. Aber als sich die wilde Wut noch weiter ausbreitete und nach England durchsickerte, daß aus dem Durcheinander von Exekutionskommandos und blutigem Pöbelaufruhr eine neue, sogar noch stärkere Nation hervorging, da fanden sich die Männer, welche die Schrecken des Krieges kennengelernt hatten, mit der Unvermeidlichkeit eines neuen Krieges ab.
Bolitho hatte sein Bett verlassen und war mit dem besorgt protestierenden Allday nach London gefahren. Die falsche Lebhaftigkeit dieser Stadt war ihm stets zuwider gewesen, ihre endlosen, schmutzigen Straßen und im Kontrast dazu die Pracht der großen Häuser der Reichen ; aber er war entschlossen, notfalls auf den Knien zu bitten um ein neues Schiff. Nach wochenlangem Antichambrieren und fruchtlosen Unterredungen hatte er die Aufgabe bekommen, unter den widerwilligen Bewohnern der Städte am Medway Rekruten für die Schiffe zu werben, die jetzt endlich neu in Dienst gestellt wurden.
Vom Standpunkt der Admiralität, die eine erschöpfte Flotte erweitern und neu ausrüsten mußte, war es klug, Bolitho als Rekrutenwerber einzusetzen. Seine erfolgreichen Unternehmungen als junger Fregattenkapitän waren noch in guter Erinnerung, und im Kriegsfalle war er gerade der richtige Kommandant, um Landratten an die Unsicherheit und Härte der See zu gewöhnen. Unglücklicherweise sah Bolitho selbst die Sache weniger enthusiastisch. Irgendwie war es bezeichnend für seinen Charakter, daß er diesen Auftrag als einen Beweis mangelnden Vertrauens seiner Vorgesetzten empfand, beruhend wahrscheinlich auf seiner eben überstandenen Krankheit. Ein kranker Kapitän konnte eine Gefahr sein, nicht nur für sich selbst und sein Schiff, sondern auch für die lebenswichtige Befehlskette, deren Schwächung Verderben und Niederlage bringen konnte.
Im Januar des nächsten Jahres schwirrten den Engländern die Köpfe bei der Nachricht, daß der König
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