Nahkampf der Giganten
neuer Kapitän über seinen Degen gestolpert und rücklings ins Boot gefallen war. Steifbeinig kletterte er das Fallreep hoch und trat durch die geschnitzte und vergoldete Schiffspforte.
Als er den Hut lüftete, war er fast überwältigt von der unmittelbaren Reaktion, die von allen Seiten, von unten und von oben, zu kommen schien. Die Ehrenbezeugung, die mit den schrillen Querflöten begonnen hatte, als sein Gesicht über der Schanz erschien, war in ein wildes Crescendo ausgebrochen, in dem er zuerst nur mit Mühe die Einzelheiten unterscheiden konnte: die Trommeln und Pfeifen des kleinen Spielmannszuges der Marine-Infanterie, das Klirren und Klappern der präsentierten Musketen und das Schwirren der gezogenen Degen vereinten sich zur Geräuschkulisse der Begrüßungszeremonie.
Irgendwie beengten ihn die scharlachroten Reihen der Seesoldaten, das Blau und Weiß der versammelten Schiffsoffiziere, die dichtgedrängten, bezopften Köpfe der Matrosen, die aus dem ganzen Schiff eiligst zusammen- und vom Dienst weggerufen worden waren.
Er hätte eigentlich darauf vorbereitet sein müssen, aber da er so lange auf Fregatten Dienst getan hatte, verwirrten ihn diese plötzlichen Menschenmassen auf einem Schiff. Doch als der erste Schreck vorbei und sein Blick rasch über die Reihen der blanken Geschütze, die frischgescheuerten Planken, das dichte Netzwerk des Riggs fuhr, wurde ihm – und vielleicht zum ersten Male – der ganze Umfang seiner neuen Verantwortung klar.
Bis zu diesem Augenblick hatte er die
Hyperion
nur als neue Umgebung betrachtet, in der es sich etwas anders leben würde als bisher. Jetzt, als die Spielleute plötzlich verstummten und ein großer, schlanker, ernsthaft blickender Leutnant ihm entgegentrat, begriff er, was es mit diesem Kommando wirklich auf sich hatte. Diese Erkenntnis überraschte ihn und machte ihn zugleich demütig.
Der plumpe, einhundertachtzig Fuß lange Rumpf der
Hyperion
umschloß eine völlig neue Welt. Eine merkwürdige, festumgrenzte Existenz, in der einige sechshundert Männer – Offiziere, Matrosen und Seesoldaten – zusammenlebten, arbeiteten und, wenn es sein mußte, starben, jedoch durch Dienstrang und Disziplin streng in einzelne Gruppen geschieden waren. Es war kaum verwunderlich, daß manche Kommandanten von Linienschiffen dem Bewußtsein ihrer Macht und Bedeutung erlagen.
Der schlanke Offizier beobachtete ihn gespannt, doch mit dienstlich ausdrucksloser Miene. Lieutenant Quarme, Sir«, stellte er sich vor. »Ich bin der Dienstälteste an Bord.«
Bolitho nickte. »Danke sehr, Mr. Quarme.« Er faßte in die Brusttasche und holte seine Bestallung hervor. Durch den Lärm und die plötzliche Erregung überkam ihn eine Schwäche, so daß er nach all dem Warten und Bangen der letzten Wochen auf einmal das Bedürfnis nach Ruhe und Alleinsein in seinem neuen Quartier empfand.
Dieser Quarme sieht wie ein tüchtiger Offizier aus, dachte er. Plötzlich stand ihm Herrick vor Augen, sein ehemaliger Erster Leutnant auf der
Phalarope
und der
Tempest,
und von ganzem Herzen wünschte er, Herrick und nicht Quarme stünde jetzt vor ihm, um ihn zu begrüßen.
Quarme schritt langsam die Reihen der Offiziere ab, Namen murmelnd, hier und da dienstliche Erläuterungen gebend. Bolithos Miene blieb dabei völlig unbewegt. Es war noch viel zu früh für Lächeln und näheres Kennenlernen. Die wirklichen Charaktere würden erst später hinter diesen starren, respektvollen Gesichtern hervortreten. Es scheint eine ziemlich durchschnittliche Kollektion zu sein, dachte er vage – aber was für eine Menge Leute gegen die paar Offiziere an Bord einer Fregatte! Er schritt die Reihe entlang, an den Leutnants und höheren Deckoffizieren vorbei bis zu den in faszinierter Spannung wartenden Midshipmen. Er dachte an den jungen Seton – was mochte der wohl von diesem ehrfurchtgebietenden Schauspiel halten? Wahrscheinlich war er völlig erschüttert. Zwei Offiziere der Marine-Infanterie standen stramm vor den Reihen der Männer in Scharlachrot mit dem weißen, über Kreuz geschnallten Lederzeug und den silbernen Knöpfen; und im zweiten Glied standen die niederen Deckoffiziere, die Handwerker, von denen es abhing, ob ein Schiff lebte oder starb: Bootsmann, Zimmermann, Küfer und so weiter.
Bolitho fühlte den warmen Sonnenschein auf der Wange und entfaltete rasch seine Papiere. Die Leute drückten sich näher heran, um besser hören und sehen zu können; manche schlugen die Augen nieder, als er sie
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