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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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»Heißt die Flagge, zum Teufel!« Aber sogar er war beinahe überrascht, als die selbstgemachte Trikolore an die Gaffel stieg und herausfordernd im Winde flatterte.
    Die Schaluppe gehorchte den Segeln gut; in der langen ablandigen Dünung flog Gischt in großen weißen Streifen von ihrem Bug.
    Der einzige andere Offizier der
Chanticleer
machte sich jetzt bemerkbar. »Geschützbedienung auf Stationen! Geschütze ausrennen!«
    Die Stückpforten sprangen auf, und die schlanken Rohre reckten sich wie neugierige Hundenasen über die milchig schimmernde Bugwelle. Im Vorschiff, festgebunden wie ein stumpfschnauziges Raubtier, stand die zweite Karronade der
Hyperion.
Sie war bereits geladen und überprüft worden, während Bolitho in seinem unbequemen Sessel geschlummert hatte. Diese Kanone verschoß eine mächtige Kugel von achtundsechzig Pfund, die beim Aufschlag zerbarst. Sie war mit Bleischrot gefüllt und wirkte auf kurze Entfernung mörderischer als alles bisher Bekannte. Vielleicht würde sie heute über Erfolg oder Scheitern der Aktion entscheiden.
    Wieder jaulte eine Zwölfpfünderkugel über ihre Köpfe und warf eine halbe Kabellänge vor dem Bug der Schaluppe eine hohe Wassersäule auf.
    Bolitho wandte sich Rooke zu, der neben ihm auftauchte, die schlanke Gestalt in ein geborgtes Matrosenjackett gehüllt. Doch selbst so wirkte er elegant. Gepreßt sagte er: »Das ist bestimmt unser Mr. Pearse, Sir. Der feuert jeden Schuß persönlich ab, oder ich müßte mich sehr täuschen.« Er biß die Zähne zusammen, als die dritte Kugel hart längsseit niederfuhr und die Geschützbedienungen der Schaluppe mit Sprühwasser überschüttete.
    »Pearce hat sicherlich ein gutes Auge«, sagte Bellamy, aber es klang doch etwas unbehaglich.
    Ferner Trompetenschall übertönte das Sausen der Takelage und das Zischen des Spritzwassers. Bolitho hob sein Glas ans Auge.
    Über der Festung stieg die Flagge hoch; Sonne funkelte auf einem Teleskop über der Batterie oder auf einem Geschützrohr.
    »Kursänderung, Bellamy!« befahl er knapp. »Denken Sie daran, was ich Ihnen sagte: runden Sie die Landzunge so dicht wie irgend möglich!«
    Und Bellamy gab seine Kommandos. Die
Hyperion
halste und schwang bedrohlich herum, bis sie fast parallel zur Schaluppe lag. Sie war noch eine gute Meile entfernt, aber unter dem mächtigen Druck ihrer Segel und des achterlichen Windes lief sie schnell und gut. Jeder Beobachter an der Küste mußte annehmen, daß sie sich verzweifelt anstrengte, die Schaluppe zu überholen und abzufangen, ehe sie einen Schlag machen und den sicheren Hafen erreichen konnte.
    Von der Klippe her antwortete jetzt ein Dröhnen, und alle lauschten auf das hohe Jaulen des Geschosses, das über ihre Masten hinwegflog.
    »Ich sehe keinen Schaden«, sagte Rooke.
    Bolitho biß sich auf die Lippen. Durchs Glas hatte er erkannt, daß im bauchigen Großsegel der
Hyperion
ein Loch klaffte. Wirklich ein guter Schuß! »Wenigstens konzentrieren sie sich im Moment auf Quarme«, sagte er; aber er mußte sich Mühe geben, daß seine Worte einigermaßen heiter klangen – in Wirklichkeit war ihm keineswegs so zumute. Im steigenden Licht besaß die
Hyperion
eine eigenartige, schwer zu erklärende Schönheit. Er konnte die drohende Galionsfigur sehen, die Wasserreflexe an der hohen Bordwand, und er fühlte etwas wie körperlichen Schmerz, als wieder ein Geschütz der Batterie feuerte und dicht am Heck des alten Schiffes eine Wasserfontäne aufspritzte. Der kann als Abpraller in den Rumpf gegangen sein, dachte er grimmig. Er warf einen Blick auf die Brustwehr der Festung – noch kein Rauch zu sehen. Aber sie würden nicht lange brauchen, um die Glut der über Nacht heruntergebrannten Essen anzufachen; dann würden sie mit glühenden Kugeln schießen, und jeder Treffer konnte die
Hyperion
in eine brennende Hölle verwandeln.
    Quarme war viel zu dicht unter Land. Vielleicht hatte er sich verschätzt – oder wollte er dem Feind einen möglichst realistischen Eindruck bieten?
    »Der Narr dort soll sich besser verstecken!« hörte er Rooke schimpfen. Zwei hornhäutige Füße ragten unter der Persenning hervor; ein Deckoffizier ließ seinen Tampen darauf niedersausen – ein Schrei, und weg waren sie.
    Bellamy war natürlich mehr an seinem eigenen Schiff interessiert als an der Gefahr, in der sich die
Hyperion
befand. Er stand neben dem Ruder und achtete scharf auf Kompaß und Segel, denn die dunkle Landzunge sprang ihnen entgegen wie ein Stier, der

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